Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Messerstec­herei: Verdächtig­er fiel zuvor schon auf

Streifenwa­gen rückt nach beendeter Beziehung mehrfach aus –Polizei muss nun Vorsatz klären

- Von Sandra Philipp

FRIEDRICHS­HAFEN - Eine zufällige Begegnung in der Disco. Eine im Anschluss misslungen­e Aussprache zweier ehemals Verliebten. Ein Messerangr­iff scheinbar aus dem Nichts. So lässt sich stark verkürzt die Tat eines 21-Jährigen wiedergebe­n, der in der Nacht zu Sonntag mehrfach mit einem Messer auf seine 16-jährige Ex-Freundin eingestoch­en haben soll.

Der Tat vorausgega­ngen sind allerdings einzelne Ausraster, die Eingang in die Akten der Polizei gefunden haben. Sie werfen ein anderes Licht auf jene Nacht. Sie zeigen einen jungen Mann, der, nachdem seine Freundin die Beziehung beendete, auch deren Freundin telefonisc­h und später auch persönlich bedrohte.

Betrunken schlug er am Donnerstag gegen 23 Uhr mit seinen Fäusten gegen die Wohnungstü­r der Freundin, bis die Besatzung eines Streifenwa­gens eintraf. Die Beamten überprüfte­n den 21-Jährigen und sprachen einen Platzverwe­is aus. Das teilt Polizeispr­echer Markus Sauter auf Nachfrage der Schwäbisch­en Zeitung mit. Am frühen Morgen des nächsten Tages randaliert­e der junge Mann dann auf dem Balkon seiner Ex-Freundin. Diese verständig­te die Polizei und der junge Mann suchte das Weite. Als die Beamten das Wohngebiet überprüfte­n, trafen sie den 21-Jährigen dort nicht an. Etwa 90 Minuten später sei die Polizei erneut darüber unterricht­et worden, dass der Mann wieder vor der Wohnung aufgetauch­t sei, gegen die Tür klopfte und klingeln würde. Ein weiterer Einsatz des Streifenwa­gens verlief erfolglos – der junge Mann war wieder verschwund­en, sagt Sauter.

Um die Situation zu deeskalier­en, brachten die Beamten die 16-Jährige zu einer Freundin. „Danach konnten sie den Ex-Freund des Mädchens telefonisc­h erreichen und ihm einen Platzverwe­is für das Umfeld ihrer Wohnung für die nächsten drei Tage erteilen“, führt Sauter weiter aus. Außerdem habe die Streifenwa­genbesetzu­ng die Eltern des Mannes aufgesucht und den Vater darum gebeten, auf seinen Sohn einzuwirke­n.

Kein unbeschrie­benes Blatt

Viel bewirkt hatte dieses Ersuchen offenbar nicht. Denn der Tatverdäch­tige war offensicht­lich einen Abend später mit einem Messer bewaffnet zu einer Diskothek im Fallenbrun­nen gefahren. Dort soll er bei einer „Aussprache“im Freien auf seine 16jährige Ex-Freundin eingestoch­en und diese lebensgefä­hrlich verletzt haben.

Der Gesundheit­szustand der Jugendlich­en ist nach Polizeiang­aben inzwischen stabil. Nun obliegt es der Polizei herauszufi­nden, ob er wusste, dass sich seine Ex-Freundin dort aufhielt und ob er vorsätzlic­h handelte. „An der Anklage des versuchten Totschlags ändert sich zunächst nichts“, sagt Oberstaats­anwalt Wolfgang Angster auf Nachfrage der Schwäbisch­en Zeitung. Um den Tatverdäch­tigen wegen versuchten Mordes anzuklagen, müssten bestimmte Mordmerkma­le erfüllt sein.

Mörder ist nach Paragraf 211 Strafgeset­zbuch, wer aus Mordlust, zur Befriedigu­ng des Geschlecht­striebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründ­en, heimtückis­ch oder grausam oder mit gemeingefä­hrlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermögliche­n oder zu verdecken, einen Menschen tötet. „Ist eines oder mehrere dieser Merkmale gegeben, verändert sich die Anklage“, erklärt der Oberstaats­anwalt.

Zum jetzigen Zeitpunkt spreche allerdings nichts dafür. Die Polizei forsche derzeit in alle Richtungen, auch um den Vorsatz zu klären, also ob der mutmaßlich­e Messerstec­her geplant oder ungeplant vorging, erklärt Oberstaats­anwalt Angster: „Wir stehen am Anfang der Ermittlung­en.“Auch zwei Tage nach dem Angriff schweigt der Beschuldig­te, der allerdings kein unbeschrie­benes Blatt ist und strafrecht­lich bereits in Erscheinun­g getreten ist. „Die Akten bestätigen, dass er in der Vergangenh­eit mehrfach wegen diverser Vergehen angezeigt wurde“, bestätigt Angster. „Verurteilt worden ist er allerdings noch nicht.“

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Gesehen von Hans-Christof Singer Stürmische Zeiten am Bodensee.
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FOTO: LI Mit einem Messer soll ein 21-Jähriger am frühen Sonntagmor­gen mehrmals auf seine 16-jährige Ex-Freundin eingestoch­en haben. Zum genauen Tatort äußern sich weder Polizei noch Staatsanwa­ltschaft.

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