Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kein Grund zum Feiern
Der Weltfrauentag ist kein Feiertag. Es gibt nichts zu feiern. Aber er ist wichtig und notwendig: Solange Frauen unterdrückt und ausgebeutet werden, solange wir für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen, solange wir in Führungsetagen die Ausnahme sind, solange eine männliche Mehrheit über Paragraf 219a entscheidet, solange wir für die gleiche Wertschätzung doppelt so hart kämpfen müssen, solange es Debatten um gendergerechte Sprache gibt, solange sexuelle Belästigung toleriert wird – solange muss es diesen Tag leider geben, um auf solche Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen.
In unzähligen Ländern werden Frauen unterdrückt, ausgenutzt, gequält. In der westlichen Welt geschieht die Geringschätzung subtiler. Es ist zwar völlig normal, dass wir in Vollzeit arbeiten und die gleiche Bildung haben wie Männer. Aber es ist überhaupt nicht normal, dass wir auch gleichwertig behandelt werden. Eine Frau in Chefposition ist immer noch eine Ausnahme. Und wenn sie es dorthin geschafft hat, ist sie nicht erfolgreich, sondern eine Karrierefrau – von „Karrieremann“spricht niemand. Wird eine Frau aus Wut laut, gilt sie als hysterisch und unbeherrscht. Ein Mann setzt sich hingegen durch, „steht seinen Mann“.
Damit Gleichberechtigung funktioniert, muss sich vor allem in den Köpfen etwas ändern. Männer wie Frauen müssen begreifen, dass nicht das Geschlecht, sondern die Kompetenz ausschlaggebend ist und einander entsprechend behandeln. Abwertende Sprüche über Schwangerschaften oder das weiche Geschlecht dürfen nicht mehr salonfähig sein. Und wir Frauen dürfen solche Sprüche nicht peinlich berührt hinnehmen.
Blumen zum Weltfrauentag, wie es in Teilen Deutschlands üblich ist? Bitte bloß nicht! Uns Frauen ist mehr geholfen, wenn Männer den Tag zum Anlass nehmen, Frauen zu fragen, wo sie sich ungerecht behandelt fühlen, was sie wütend macht, wo die Augenhöhe fehlt. Wenn Frauen im gesellschaftlichen Zusammenleben irgendwann den gleichen Rang einnehmen, könnte der Weltfrauentag ein Feiertag werden.