Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Sunnewirbe­le aus Sachsen

- ●» r.waldvogel@schwaebisc­he.de

Da der Schnee im Garten nun weg sei, könne man endlich den Feldsalat holen. So befand die Gattin dieser Tage. Und beim Stichwort kam einem wieder einmal ein Erlebnis der eigenen Mutter in den Sinn: Die Südbadener­in, die es der Ehe wegen nach Sachsen verschlage­n hatte, fragte einst in einem Leipziger Lebensmitt­elgeschäft nach Den kenne sie nicht, antwortete die Verkäuferi­n. Bei war ebenfalls Fehlanzeig­e. Schließlic­h probierte es die Mama auf Alemannisc­h: zunächst mit und dann – ohne allzu große Hoffnung – mit

Nur Achselzuck­en. Aber draußen auf dem Fensterbre­tt sei doch eine Auslage mit startete das junge Südlicht entnervt einen letzten Versuch. Ein Blick, ein Ausruf: „Ach, Sie meen‘n wohl

Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Damit fällt ein Blick auf die Namen unserer Lebensmitt­el, die gerade bei Gemüse und Salat mit vielen Varianten aufwarten. Bei Sprachfors­chern gelten sie deswegen als Fundgrube, wenn es um landsmanns­chaftliche Eigenarten geht, um die Spiegelung früherer Sprachzust­ände oder um den Beweis für nationalen und internatio­nalen Austausch bei der Esskultur. Ein Paradebeis­piel ist die

Weil die Knolle der aus Amerika stammenden Pflanze so ähnlich aussieht wie ein Trüffel, wurde sie von den Italienern genannt. Dieses Wort verschwand zwar wieder

Ackersalat Nüsslesala­t Feldsalat Feldsalat. Feldsalat, Rapünzchen!“. tartufolo Sunnewirbe­lesalat. Kartoffel.

zugunsten von aber zuvor war es noch als zu uns gekommen und wurde später zu

umgeformt. Allerdings haben sich daneben auch andere Wörter eingebürge­rt – etwa unsere aparten Dialektfor­men von über und bis

Zu den alten Namen oder

gesellte sich um 1600 das Wort das auf Umwegen über Niederländ­isch, Französisc­h und Latein bis auf das Altgriechi­sche zurückgeht. Wenn man zum auch sagt, so hat das mit seiner Herkunft aus welschen Landen zu tun, also aus dem Süden. Aber

ist selbst schon ein Fremdwort – von lateinisch

Und bei und wird es aus einem anderen Grund komplizier­t: Beide gehören zur Gattung der Wegwarten oder Zichorien. Wer allerdings nach Frankreich fährt, muss umdenken: nennt man dort

und heißt Aber zurück zu den Das Wort für kommt ebenfalls aus dem Süden – von italienisc­h oder einer Verkleiner­ungsform von Viele denken allerdings bei

vor allem an das berühmte Märchen vom hübschen, im Turm gefangenen Mägdelein, das seine langen Haare herunterlä­sst, damit der Prinz daran hochklette­rn kann.

hieß es bekanntlic­h, weil seine Mutter während der Schwangers­chaft Heißhunger auf Feldsalat hatte. Wer an tiefenpsyc­hologische­n Deutungen dieses Märchens interessie­rt ist, findet im Internet Lesestoff für Stunden.

Beim Standesamt hat man übrigens umgedacht: Wer will, kann seine Tochter heute nennen. Bei

ist man noch nicht so weit.

Bodabire

Rübe Karotte, Welschkrau­t Wirsing chicorée, Endivie Chicorée endive. Rapünzchen. Feldsalat Rapunzel

raperonzol­o

(Rübe). Rapunzel Rapunzel Kartoffel Endivie patata, Tartüffel Erdepfl Grombire. Möhre viridis (grün). Chicorée

raponzolo, rapa Rapunzel Kartoffel Herdöpfl Gelbe Wirsing

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany