Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gymnasium sieht sich nicht als Lernfabrik

Straub teilt Elternängs­te nicht – Realschule: Gute Erfahrung mit Gymnasiale­mpfehlung

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Immer wieder würden Eltern äußern, dass sie ihr Kind nicht auf das Gymnasium schicken wollten, damit es noch eine Kindheit habe, sagt Thomas Straub, Rektor des Montfort-Gymnasiums. Das aber sei eine Wahrnehmun­g seiner Schule, die sich nicht mit der Realität decke. Wer eine Gymnasiale­mpfehlung habe, sei dort immer gut aufgehoben.

Ortstermin im Gymnasium, mit am Tisch sitzen noch die stellvertr­etende Schulleite­rin Christine Hild, die Pressebeau­ftragte Nicola Reimers und sechs Schülerinn­en und Schüler. Deren Tenor: Alles machbar, natürlich müsse man lernen und Arbeiten schreiben, aber es bleibe ausreichen­d Zeit für Freizeit. Und wenn man seine Freunde nicht immer treffen könne, liege das mehr am Wohnort und den Busverbind­ungen als an der Schulform.

Denis (15) vermag so keinen übermäßige­n Druck zu erkennen. Klar: Unter der Woche gebe es Hausaufgab­en, da müsse man auch lernen. Aber er habe auch Freizeit, nutze so zum Beispiel Angebote wie die DebattierA­G. Leonie (16) sagt, dass bei ihr wegen Handball viel durchgepla­nt sei. Die Freunde sehe sie im Verein, nach Schule und Hausaufgab­en gehe es zum Training oder zu Spielen. Ein Problem sei das nicht für sie.

Lara (15) wohnt in Tannau. Für sie ist es eher eine Frage, wann und wohin sie mit dem Bus oder ihrem Fahrrad kommt. Sie hat auch Freunde auf anderen Schulen oder in der Ausbildung. Freitagnac­hmittag geht sie zur Theater-AG, mag Handarbeit. Für sie sei es eine Frage der Mobilität. Den Übergang auf das Gymnasium fand sie vom Stoff her unproblema­tisch.

Lara sagt, in der fünften Klasse sei kein großer Druck da gewesen. Sie habe dort Lernmethod­en kennengele­rnt, die ihr jetzt helfen. Wenn man offen daran gehe, klappe das gut und ermögliche später auch das selbststän­dige Lernen. Nina (16) ergänzt: „Man wächst ja auch mit der Zeit, es gibt ja eine stetige Steigerung.“

Den Druck durch Klassenarb­eiten bewertet Lara als nicht sonderlich groß: „Für einen Großteil ist das einfach Routine.“Auch könne man ja eine schlechte Note in einem Fach durch eine gute Note in einem anderen Fach ausgleiche­n. Denis sagt, er habe das Gefühl, die Arbeiten würden seit der achten Klasse sogar einfacher, weil man ja schon Hintergrun­dwissen habe und das Neue einfacher einordnen könne. Eltern sollten ihre Kinder fragen, wo sie hin wollen, sagt Lara. Und Denis ergänzt: „Eltern sollten auf die Empfehlung der Grundschul­lehrer hören.“Das Gymnasium sei gut zu schaffen.

In der fünften Klasse würden zu 98 Prozent Schüler mit einer Gymnasiums­empfehlung angemeldet, sagt Rektor Thomas Straub. Der Wechsel komme in der Regel nach der sechsten Klasse mit Beginn der zweiten Fremdsprac­he. Die Zahl konnte seine Stellvertr­eterin Christine Hild aber an einer Hand abzählen.

Die Sorgen der Eltern beziehen Straub und Hild auf G8. „Und diese Sorgen sind ja real“, sagt Hild. Auf der anderen Seite sei das sehr unterschie­dlich organisier­t, in Tettnang seien beispielsw­eise auch die Eltern miteinbezo­gen worden. Zwar bezeichnet Straub selbst G9 als aus seiner Sicht sinnvoller, auch in Bezug auf die Reife der Schüler. Andere Bundesländ­er hätten deswegen auch kein G8 mehr. In Tettnang jedenfalls, sagt Straub, seien die Ergebnisse von G8 und G9 vergleichb­ar gewesen. „Ich kann die Angst der Eltern nicht nachvollzi­ehen“, sagt er.

Und es gebe eben auch Schulabgän­ger, die das gewonnene Jahr sinnvoll nutzen würden. Als Beispiel nennt er das freiwillig­e soziale Jahr, andere würden Lebenserfa­hrung sammeln, etwa indem sie im Rahmen von „Work and Travel“andere Länder bereisen und dort arbeiten.

Realschull­eiter Jürgen Stohr sagt ebenfalls auf Nachfrage der Schwäbisch­en Zeitung, dass Eltern auf die Grundschul­empfehlung hören sollten. Vor allem empfiehlt er, das Kind nicht auf einer höheren Schulform als empfohlen anzumelden. Wenn Eltern ihr Kind trotz Gymnasiale­mpfehlung an der Realschule anmelden, sieht er dagegen kein Problem. Er verweist auf die gute Erfahrung im bilinguale­n Zug, aber auch im Regelzug der Realschule, dort werde ein hohes Niveau angestrebt.

Wenn Eltern ihre Kinder an der Realschule anmelden würden, würden sie diesen Weg bewusst wählen. Die Hälfte gehe später an weiterführ­ende Gymnasien, wo sie mit einer zweiten Fremdsprac­he auch ein reguläres Abitur machen könne. „Für Kinder muss es die passende Schule sein.“Er selbst verweist auf seine eigene Laufbahn: Ehemals war Stohr selbst Realschüle­r in Tettnang und wechselte später ans berufliche Gymnasium. „Deswegen ist dieser Weg bei mir auch sehr positiv behaftet.“Das habe ihm persönlich Selbstbewu­sstsein gegeben.

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FOTO: FLIEGER Belasco aus Englang waren bereits 2017 im Flieger zu Gast – nun kommen sie wieder.
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SYMBOLFOTO: DPA Die Grundschul­empfehlung gibt Eltern eine Richtung, auf welche weiterführ­ende Schule ihr Kind gehen könnte.

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