Schwäbische Zeitung (Tettnang)
SPD geht auf Distanz zur CDU-Chefin
Streit über Zukunft der Groko – Absage an vorgezogene Kanzlerinwahl Kramp-Karrenbauers
BERLIN - In Teilen von Union und SPD ist kurz vor dem Jahrestag der schwarz-roten Koalition ein offener Streit über die Zukunft der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgebrochen. Nachdem die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sich über die Fasnet offen für ein schwarz-grünes Bündnis gezeigt hatte, geht die SPD nun deutlich auf Distanz zum Partner in Berlin.
Die Werte-Union, eine besonders konservative Gruppe von Unionspolitikern, brachte am Freitag den baldigen Wechsel im Kanzleramt von Merkel zu Kramp-Karrenbauer ins Gespräch. Dies wünschten sich viele Mitglieder der CDU, sagte der Vorsitzende der Gruppierung, Alexander Mitsch, in Berlin. Mehrere SPDPolitiker schlossen daraufhin für den Fall eines vorzeitigen Rückzugs Merkels vom Kanzleramt aus, dass ihre Partei die CDU-Chefin zur nächsten Kanzlerin wählen könnte.
Der Chef des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sagte dem „Spiegel“: „Wenn Frau Merkel versuchen sollte, ihre Kanzlerschaft an Frau Kramp-Karrenbauer zu übergeben, gäbe es sofort Neuwahlen.“Die SPD-Linke Hilde Mattheis aus Ulm sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Ich glaube, die Geschäftsgrundlage wäre ohne Frau Merkel eine völlig andere. Ich würde mich sehr schwer damit tun und Frau Kramp-Karrenbauer höchstwahrscheinlich nicht wählen.“Auch Juso-Chef Kevin Kühnert meinte, die Geschäftsgrundlage sei dann aufgekündigt. Die Große Koalition ist am kommenden Donnerstag ein Jahr im Amt.
Alexander Mitsch (CDU) spürt bei seiner Partei aber den Wunsch der Basis nach Veränderung. „Viele Mitglieder der CDU wünschen sich einen baldigen Wechsel im Kanzleramt.“Kramp-Karrenbauer könne dann „die begonnene Politikwende, insbesondere beim Thema Einwanderung, dort praktisch umsetzen“.
Die SPD sieht das skeptisch. „Frau Kramp-Karrenbauer hat erkannt, dass sie ihre CDU stärker nach rechts profilieren muss. Dadurch wird die Schnittmenge zwischen Union und SPD noch geringer als jetzt“, sagte Mattheis. Das Überleben einer Großen Koalition hänge aber von massiven Kompromissen ab. „Die Schritte aufeinander zu würden noch größer, und wir könnten noch weniger unser linkes Profil zeigen.“
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, rief die Berliner Regierungskoalition dagegen zum Weitermachen auf. Im Koalitionsvertrag stecke noch genug Substanz, sagte er. „Die Koalition sollte ermutigt werden, ihre Projekte beherzt anzugehen.“Das erste Projekt, das noch kommen sollte, sei die Stärkung der Tarifbindung. Hoffmann forderte die Koalition auf, die Grundrente nach dem Konzept von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) umzusetzen. Die Union lehnt eine Grundrente ohne eine Bedürftigkeitsprüfung aber strikt ab.