Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ungerecht
In New York hat ein Mann 25-Cent-Münzen im Gesamtwert von etwa hundert Dollar gestohlen, aus einem Raum, in dem Waschma- schinen mit Münzeinwurf stehen. Laut seinem Pflichtverteidiger muss er mit mindestens drei Jahren Gefängnis rechnen, im schlimmsten Fall mit dem Doppelten. Paul Manafort, zuletzt Donald Trumps Wahlkampfstratege, kommt bei sechs Millionen Dollar hinterzogenen Steuern mit 47 Monaten Freiheitsentzug davon. Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit?
Die Causa Manafort hat Öl ins Feuer einer Diskussion gegossen, die Amerika seit Langem beschäftigt. Die Schieflage des Justizsystems, sie ist erneut zum heißen Debattenthema geworden. Auf der einen Seite unnachsichtige Kompromisslosigkeit, auf der anderen bisweilen erstaunliche Milde. Auf der einen Seite sind Gefängnisse überfüllt, weil Bagatelldelikte drakonisch geahndet werden. Auf der anderen steht ein eher sanftes Urteil für einen gut Vernetzten, der jahrzehntelang zu den Koryphäen des Politikberatergeschäfts zählte.
Zur Klärung der Frage, ob Trumps Wahlkampfteam 2016 mit dem Kreml kooperierte, um der Rivalin Hillary Clinton zu schaden, hat der Manafort-Prozess so gut wie nichts beigetragen. Dass manche Richter offenbar mit zweierlei Maß messen, je nach Vermögen und Status des Angeklagten, das hat er schlaglichtartig erhellt.