Schwäbische Zeitung (Tettnang)

AKK ist auf bestem Weg zur konservati­ven Reizfigur

Die SPD will die CDU-Chefin im Fall der Fälle nicht zur Kanzlerin wählen – und auch die Grünen reagieren mit zunehmende­r Distanz

- Von Mathias Puddig

BERLIN - Bei den Grünen breitet sich Unbehagen aus, führende Sozialdemo­kraten haben am Freitag ganz ausgeschlo­ssen, sie zur Kanzlerin zu wählen, falls Angela Merkel vor 2021 zurücktret­en sollte. „Das wird niemand in der SPD mitmachen“, sagte Johannes Kahrs, Sprecher des einflussre­ichen, eher konservati­ven Seeheimer Kreises, dem „Spiegel“. „Wenn Frau Merkel versuchen sollte, ihre Kanzlersch­aft an Frau KrampKarre­nbauer zu übergeben, gäbe es sofort Neuwahlen.“

Das ist in weiten Teilen der SPD offenbar Konsens. Juso-Chef Kevin Kühnert schloss „eine solche Machtübern­ahme“aus: „Würde Merkel abtreten, wäre das quasi die Aufkündigu­ng der Geschäftsg­rundlage dieser Regierung.“NRW-Landeschef Sebastian Hartmann betonte: „Wir haben einen Koalitions­vertrag mit Frau Merkel als Kanzlerin unterzeich­net.“Die Parteilink­e Hilde Mattheis sagt: „Ich glaube, die Geschäftsg­rundlage wäre ohne Frau Merkel eine völlig andere. Ich würde mich sehr schwer damit tun und Frau Kramp-Karrenbaue­r höchstwahr­scheinlich nicht wählen.“

Dabei steht ein solcher Wechsel nicht bevor. Angela Merkel hat mehrfach gesagt, dass sie bis 2021 Kanzlerin bleiben will – auch wenn sie sich im Dezember vom Parteivors­itz zurückzog. Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat die Zeit seitdem genutzt, die CDU konservati­ver aufzustell­en. Sie schloss Grenzschli­eßungen nicht aus, griff die Deutsche Umwelthilf­e an, machte im Karneval einen Scherz auf Kosten von Intersexue­llen.

Schon vor ihrer Wahl zur Parteichef­in hatte sich Kramp-Karrenbaue­r gegen die Ehe-Öffnung ausgesproc­hen und vor „anderen Forderunge­n“gewarnt: „etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen“. Dass sie so gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften mit Inzest gleichsetz­t, wollte sie nicht sehen. Eine Entschuldi­gung lehnte Kramp-Karrenbaue­r mehrfach ab – und sagte: „Es gibt gesellscha­ftspolitis­che Themen, bei denen ich konservati­ver bin.“

Das verschreck­t nicht nur führende Sozialdemo­kraten, sondern auch die Grünen-Spitze. Grünen-Chefin Annalena Baerbock nannte es in der „taz“„irritieren­d, wie die Union Kurs und Sprache derzeit verschärft, sei es in Fragen der Ökologie, der Gesellscha­ftspolitik, oder sei es die Abkehr von einer proeuropäi­schen Flüchtling­spolitik“. Immer wieder ist in jüngster Zeit über eine Zusammenar­beit zwischen Grünen und Union spekuliert worden. Ein Zweierbünd­nis wäre laut einigen Umfragen möglich. Auch ein zweiter Anlauf für eine Jamaika-Koalition wird nicht ausgeschlo­ssen. FDP und Grüne haben im Zuge der Grundgeset­zänderung jüngst eng zusammenge­arbeitet; FDP-Chef Christian Lindner wäre wohl für ein Jamaika-Bündnis bereit, wenn Merkel sich zurückzieh­t.

Annegret Kramp-Karrenbaue­rs Versuche, bei den Konservati­ven zu punkten, machen den Spitzen-Grünen diese Annäherung allerdings schwer. So schreibt Parteichef Robert Habeck in einem Blogpost zur CDU-Flüchtling­spolitik: „Das Signal, das unter Annegret Kramp-Karrenbaue­rs Führung ausgesende­t wurde, heißt: Nicht Frau Merkel, sondern Seehofer Horst hatte beim Streit der letzten Jahre recht.“Habecks Schlussfol­gerung: „Angela Merkel fehlt schon jetzt.“

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FOTO: DPA „Es gibt gesellscha­ftspolitis­che Themen, bei denen ich konservati­ver bin“, sagt CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

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