Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Regierung kommt beim Klimaschut­z nicht voran

- Von Igor Steinle, Berlin

Vor wenigen Monaten hatte man den Eindruck, Deutschlan­d bekommt zwei neue Ökoparteie­n. Bei den herben Wahlnieder­lagen in Hessen und Bayern erlitten CDU und CSU so große Stimmverlu­ste an die Grünen, dass die Union zerknirsch­t zugab, man müsse sich wohl mehr um die Umwelt kümmern. Heute ist davon nichts mehr zu spüren.

Im Gegenteil: Umweltpoli­tik kommt bei den Schwesterp­arteien gegenwärti­g vor allem im Gewand von Attacken gegen Naturschüt­zer daher. So wollen Unions-Politiker der Deutschen Umwelthilf­e am liebsten die Gemeinnütz­igkeit aberkennen. Einem Verein, der dafür sorgt, dass im Rechtsstaa­t Deutschlan­d geltendes (Umwelt-)Recht auch umgesetzt wird.

Dazu schoss sich CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak auf ein 16-jähriges Mädchen ein, die Klimaaktiv­istin Greta Thunberg. Er kritisiert­e sie scharf dafür, dass sie sich ja weder für Arbeitsplä­tze noch für die Sicherheit der Stromverso­rgung interessie­re, sondern nur für die von der Erderwärmu­ng bedrohte Zukunft ihrer Generation. Nicht besser wird es bei der CSU. Verkehrsmi­nister Scheuer erklärte die Kommission, die Vorschläge zur CO2-Reduktion in seinem Ressort machen sollte, kurzerhand für verrückt. Parteikoll­ege und Bauministe­r Seehofer setzte seine Kommission erst gar nicht ein.

Gleichzeit­ig wirkt der Entwurf eines Klimaschut­zgesetzes von Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) auf die Konservati­ven wie ein sozialdemo­kratisch-rotes Tuch. Mit ihrem Ziel, die einzelnen Ministerie­n gesetzlich an die Einhaltung der CO2Ziele zu binden, machte sie sich zum Feindbild der Union. Schulze kann das egal sein, sie kann die Union getrost vor sich hertreiben: Sie weiß, dass an ihrem Gesetz kein Weg vorbeiführ­t. Die Pariser Klimaziele sind völkerrech­tlich bindend. Verfehlt Deutschlan­d sie auch zukünftig, drohen Milliarden-Zahlungen an die EU.

CDU-Spitze hat Problem erkannt

Zumindest in der CDU-Parteispit­ze hat man inzwischen erkannt, dass das in der Öffentlich­keit nicht gut ankommen wird – zumal die für die CO2-Emissionen verantwort­lichen Ressorts sämtlich in Unionshand liegen. So sah CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r zuletzt ein, dass man entweder ein Klimaschut­zgesetz oder einen CO2-Preis benötige. Dies müsse man diskutiere­n, so oder so werde es unangenehm. Auch Kanzlerin Angela Merkel ließ verlautbar­en, dass das Klimaschut­zgesetz oben auf ihrer Agenda stehe. Ein Machtwort darüber, was von der Union zu erwarten ist, gab es weder von der einen noch der anderen.

Dabei benötigt die Wirtschaft Verlässlic­hkeit. Investitio­nsunsicher­heit macht Unternehme­n mehr zu schaffen als Umweltaufl­agen. Diese führen nicht zu Deindustri­alisierung, wie besorgte Unionspoli­tiker behaupten. Das Gegenteil ist der Fall: Deutschlan­d ist in den vergangene­n Jahren zu einer der energieeff­izienteste­n und gleichzeit­ig wettbewerb­sfähigsten Wirtschaft­en weltweit geworden. Klimaschut­z vernichtet Wohlstand nicht. Er sichert ihn für die kommenden Generation­en.

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FOTO: DPA Verkehrsmi­nister Scheuer bremst bei der CO2-Reduktion.

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