Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Daten-Diktatur
Mit digitaler Technik ermöglicht China der Bevölkerung ein modernes Leben in totaler Überwachung
SCHANGHAI/SHENZHEN - Dezent angebracht sind sie nicht, die Kameras, die Fußgänger filmen, die in Schanghai vor der größten Starbucks-Filiale der Welt die Straße überqueren. Von Ampeln und Lichtmasten scannen sie täglich 24 Stunden Tausende Menschen, die vom Laden des Elektroautobauers Byton zum US-Café auf der anderen Seite wechseln. Und die Kreuzung in der Innenstadt der ostchinesischen Wirtschaftsmetropole ist keine Ausnahme: Jedes Jahr montiert China mehr Kameras an Straßen und Wegen, an U-Bahn-Aufgängen, in Kaufhäusern, Bahnhöfen und Flughäfen.
Die chinesische Regierung strebt die totale Überwachung der Öffentlichkeit an, die aber nur Teil eines größeren Kontrollprogramms ist: Die Behörden bauen zurzeit ein umfassendes System auf, das die Bürger der Volksrepublik in allen Lebensbereichen bewertet. Die Digitalisierung gibt den Machthabern dazu die nötigen Instrumente: Big Data und künstliche Intelligenz ermöglichen dem Staat einerseits, die ungeheuren Datenmengen für seine Ziele zu verwenden. Auf der anderen Seite gehören chinesische Konsumenten zu den begeisterten Nutzern digitaler Technologien, was die Aufsicht mittels persönlicher Daten sehr erleichtert. Das Ziel: Die Erziehung und Kontrolle von 1,4 Milliarden Menschen im Sinne des kommunistischen Leitbildes „Der gute Chinese“. Bis zum Jahr 2020 soll im Reich der Mitte ein System installiert sein, das die Bürger bis ins Kleinste digital durchleuchtet, 1,4 Milliarden Menschen bewertet – und dabei erwünschtes Verhalten belohnt und das Gegenteil bestraft. niken in China so umfassend durchsetzen. Sie ermöglichen so einerseits vielen Menschen die Teilhabe am modernen Leben, andererseits eröffnen sie dem Staat aber auch immense Kontrollmöglichkeiten. Insgesamt nutzen nach Angaben von Han 800 Millionen chinesische Staatsbürger das Internet, 780 Millionen davon surfen ausschließlich mit Smartphones, 90 Prozent davon bezahlen im täglichen Leben fast nur mit Finanz-Apps. „Kreditkarten werden oft gar nicht mehr angenommen“, sagt Han.
„Die Regierung will herausfinden, wer du bist, um Kriminelle aufzuspüren.“