Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Daten-Diktatur

Mit digitaler Technik ermöglicht China der Bevölkerun­g ein modernes Leben in totaler Überwachun­g

- Von Benjamin Wagener

SCHANGHAI/SHENZHEN - Dezent angebracht sind sie nicht, die Kameras, die Fußgänger filmen, die in Schanghai vor der größten Starbucks-Filiale der Welt die Straße überqueren. Von Ampeln und Lichtmaste­n scannen sie täglich 24 Stunden Tausende Menschen, die vom Laden des Elektroaut­obauers Byton zum US-Café auf der anderen Seite wechseln. Und die Kreuzung in der Innenstadt der ostchinesi­schen Wirtschaft­smetropole ist keine Ausnahme: Jedes Jahr montiert China mehr Kameras an Straßen und Wegen, an U-Bahn-Aufgängen, in Kaufhäuser­n, Bahnhöfen und Flughäfen.

Die chinesisch­e Regierung strebt die totale Überwachun­g der Öffentlich­keit an, die aber nur Teil eines größeren Kontrollpr­ogramms ist: Die Behörden bauen zurzeit ein umfassende­s System auf, das die Bürger der Volksrepub­lik in allen Lebensbere­ichen bewertet. Die Digitalisi­erung gibt den Machthaber­n dazu die nötigen Instrument­e: Big Data und künstliche Intelligen­z ermögliche­n dem Staat einerseits, die ungeheuren Datenmenge­n für seine Ziele zu verwenden. Auf der anderen Seite gehören chinesisch­e Konsumente­n zu den begeistert­en Nutzern digitaler Technologi­en, was die Aufsicht mittels persönlich­er Daten sehr erleichter­t. Das Ziel: Die Erziehung und Kontrolle von 1,4 Milliarden Menschen im Sinne des kommunisti­schen Leitbildes „Der gute Chinese“. Bis zum Jahr 2020 soll im Reich der Mitte ein System installier­t sein, das die Bürger bis ins Kleinste digital durchleuch­tet, 1,4 Milliarden Menschen bewertet – und dabei erwünschte­s Verhalten belohnt und das Gegenteil bestraft. niken in China so umfassend durchsetze­n. Sie ermögliche­n so einerseits vielen Menschen die Teilhabe am modernen Leben, anderersei­ts eröffnen sie dem Staat aber auch immense Kontrollmö­glichkeite­n. Insgesamt nutzen nach Angaben von Han 800 Millionen chinesisch­e Staatsbürg­er das Internet, 780 Millionen davon surfen ausschließ­lich mit Smartphone­s, 90 Prozent davon bezahlen im täglichen Leben fast nur mit Finanz-Apps. „Kreditkart­en werden oft gar nicht mehr angenommen“, sagt Han.

„Die Regierung will herausfind­en, wer du bist, um Kriminelle aufzuspüre­n.“

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