Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Lindbergh und Giacometti
Der Fotograf zeigt in Paris wie er mit Skulpturen des Künstlers Giacometti umgeht
PARIS (dpa) - Das Licht fällt auf die Stirn und lässt die Augenhöhlen noch dunkler erscheinen. Die Lippen wirken bitter und ausgezehrt. Die Fotografien der Skulpturen von Alberto Giacometti (1901-1966) stammen von Peter Lindbergh. Ein für den deutschen Fotografen ungewöhnliches Motiv, denn Lindbergh ist mit seinen einzigartigen Schwarz-WeißAufnahmen dass die Skulpturen Giacomettis leben. Giacomettis kleingestaltige stehende Frau (Femme Poseuse I), die Lindbergh großformatig als Triptychon abgebildet hat, wirft dem Besucher einen Blick zu, der allein durch seine Tiefgründigkeit fesselt. Die Riesenkomposition „Drei Figuren und ein Kopf“erinnert an ein Schattentheater, in dem die Figuren zu leben beginnen.
Giacometti hat sich an seinen Werken aufgerieben, sie immer wieder zerstört im Versuch, den Blick des Modells zu erfassen, denn für Giacometti war der Blick der Zugang zur Seele. So wie Giacometti sucht auch Lindbergh etwas einzufangen, was über den Blick und das Porträt hinausgeht: „Da entsteht etwas, was man für dich hält, aber was du gar nicht bist.“
Lindberghs Porträts sind keine Abbildungen von Personen. „Eine Person ist so komplex und intelligent, das kann man nicht fotografieren.“Lindbergh sucht das, was sich hinter einer Person verbirgt, so wie Giacometti, der einst sagte, dass es unmöglich sei, das wiederzugeben, was man sehe.
Giacometti und Lindbergh: Eine Gegenüberstellung, die zunächst befremdet. Am Ende der Ausstellung scheint der Dialog jedoch fast schon selbstverständlich: Ihre Suche nach dem „Unfassbaren“, ihr weitgehender Verzicht auf Farbe und ihre ganz persönliche Ästhetik. Für Lindbergh ist Giacometti der Inbegriff von Künstler und Kunst, denn dieser habe lange nach seinem eigenen Weg gesucht.
Lindberghs neues Abenteuer begann im Jahr 2015. Damals habe man ihn gefragt, ob er nicht Fotos von Werken des Schweizer Künstlers in der Alberto-Giacometti-Stiftung in Zürich machen könne. In Paris setzte er dann seine angefangene Arbeit im Giacometti-Institut fort. Eine Arbeit, die längst noch nicht zu Ende sei: „Das sind tolle Fotos, aber ich bin da überhaupt noch nirgendwo angekommen.“
„Grundsätzlich fand ich die Idee, Skulpturen zu fotografieren, erstmal langweilig.“
Die Ausstellung „Das Unsichtbare erfassen“wird noch bis Ende März im Institut Giacometti in Paris gezeigt. Die Ausstellung ist geöffnet von Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Dienstag von 14 bis 18 Uhr; Montag geschlossen. Eintritt 8,50, ermäßigt 5 Euro. Eine Onlinereservierung wird empfohlen.