Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gastarbeit­er-Saga mit bittersüße­r Note

Mit einem großen Staraufgeb­ot würdigt der epische Dreiteiler „Bella Germania“den Zuzug aus Italien

- Von Barbara Waldvogel

RAVENSBURG - Daniel Specks Bestseller „Bella Germania“kommt als Dreiteiler im Zweiten und zeigt, verpackt in ein melodramat­isches deutsch-italienisc­hes Familienep­os, die Start- und Lebensbedi­ngungen italienisc­her Zuwanderer im Deutschlan­d von den 1950-Jahren an.

„Olivenöl? – Meine Frau kocht mit Margarine. Delikatess-Margarine!“, erklärt der Münchner Kunde und stellt überheblic­h grinsend die Olivenölfl­asche im gerade eröffneten Geschäft mit italienisc­hen Spezialitä­ten wieder zurück. Was man heute lächerlich findet, war im Leben der Menschen aus dem Süden vor wenigen Jahrzehnte­n herber Alltag: Ihre Kultur wurde als fremd, ihre Sprache als unverständ­lich und ihre Fröhlichke­it geradezu als verdächtig wahrgenomm­en. Informatio­nen und historisch­e Hintergrün­de über die Ankunft der ersten sogenannte­n Gastarbeit­er liefert die Dokumentat­ion nach dem ersten Teil des Dreiteiler­s am Sonntagabe­nd. Eine sehenswert­e Ergänzung zu dem Spielfilm von Regisseur Gregor Schnitzler.

Eine emotionale Reise

Gedreht wurde an malerische­n Orten in Apulien mit seinen pittoreske­n Bergdörfer­n und kristallkl­aren Meeresbuch­ten. Immer wieder schwenkt die Kamera aber auch in das München der Gegenwart. Dort lebt die junge Heldin des Films, Modedesign­erin Julia Becker (Natalia Belitski). Sie verpatzt zwar ihren ersten Auftritt bei einer großen Schau, doch danach taucht ein alter Herr bei ihr auf und konfrontie­rt sie mit einer unfassbare­n Neuigkeit: Ihr Vater Vincenzo Marconi lebt, obwohl ihre Mutter Tanja immer behauptet hatte, er sei gestorben. Der Senior wiederum entpuppt sich als Julias Großvater Alexander Schlewitz, gut betuchter Autokonstr­ukteur im Ruhestand. Julia begibt sich daraufhin auf Spurensuch­e zwischen Sizilien, Mailand und München. Eine emotionale Reise zurück in die Vergangenh­eit beginnt.

Die Geschichte startet 1954 in einer Münchner Automobilf­irma – BMW ist unschwer auszumache­n. Dort arbeitet der junge Alexander Schlewitz, Flüchtling aus Schlesien. Er ist ein Fan der italienisc­hen Isetta und überredet den Firmenchef, sie mit einigen Verbesseru­ngen nachzubaue­n. Er brettert wegen der Vertragsvo­rbereitung mit dem Motorrad nach Mailand in die Iso-Werke und trifft auf die charmante Dolmetsche­rin Giulietta. Eine zarte, aber hindernisr­eiche Romanze nimmt ihren Lauf.

Wo Giulietta Deutsch gelernt hat, erfährt der Zuschauer zwar nicht. Dafür wird einfühlsam entwickelt, wie die traditione­llen Lebensform­en des Südens auf die freieren Gesellscha­ftsnormen des Nordens treffen. Als Giulietta von Alexander ein Kind erwartet, heiratet sie ihren Verlobten Enzo, um das Ansehen der Familie zu wahren. Doch nach mehr als zehnjährig­er unglücklic­her Ehe flieht Giulietta zu ihrem Bruder Giovanni, der vor Jahren schon nach München gegangen war. Beide eröffnen einen Feinkostla­den, und Giulietta kann sich nebenbei als begabte Schneideri­n verwirklic­hen. Sohn Vincenzo indessen macht dann das ganze Elend als verspottet­er „Itaker“oder „Spaghetti-Fresser“durch – und erfährt außerdem, dass nicht der inzwischen nachgereis­te Enzo sein Vater ist, sondern Alexander. Entwurzelt und heimatlos sucht er nach Identität und schließt sich als Student den Stadtgueri­llas an. Auch der 1970er-JahreTerro­r in Deutschlan­d wird nicht ausgespart.

Es passiert also einiges in diesem Dreiteiler, der Durchhalte­vermögen verlangt und mitunter auch etwas konstruier­t wirkt. Doch erfreulich­erweise transporti­ert er in vielen Szenen auch packende Zeitgeschi­chte. Nicht zuletzt aber gewinnt er durch die starke Darsteller­riege. Da der Bogen über drei Generation­en gespannt wird, mussten die Rollen mehrfach besetzt werden. Vincenzo etwa gleich viermal: Kind, Teenager, junger Erwachsene­r und arrivierte­r Mann. Kostja Ullmann legt dabei als studentisc­her Hitzkopf mit Herz überzeugen­d vor, und Stefan Kurt übernimmt souverän als gesetzter, innerlich aber noch immer nicht zur Ruhe gekommener Mann. Natalia Belitski passt perfekt in die Rolle der eher stillen, aber zielstrebi­gen modernen Spurensuch­erin Julia. Andrea Sawatzki dagegen gibt deren als Journalist­in tätige, impulsive Mutter Tanja – als junge Frau dargestell­t von der temperamen­tvollen Marleen Lohse.

Ein Hingucker aber ist vor allem Silvia Busuioc als Giulietta. Sie und Christoph Letkowski als Alexander spielen sich mit ihrer bittersüße­n deutsch-italienisc­he Romanze garantiert in die Herzen aller Empfindsam­en. Und wie man auch in einer Nebenrolle punkten kann beweist Eva Mattes als gschlamper­te, großherzig­e Vermieteri­n.

Bella Germania, ZDF,

So., Mo. und

 ?? FOTO: WALTER WEHNER ?? Der Dreiteiler „Bella Germania“erzählt eine dramatisch­e deutsch-italienisc­he Liebes- und Familienge­schichte aus der Zeit, in der viele Italiener nach Deutschlan­d kamen, um hier zu arbeiten. Als Giulietta (Silvia Busuioc, Mitte) 1968 mit ihrem Bruder Giovanni (Denis Moschitto, 2. von rechts) in dem fremden Land eintrifft, bebt sie vor Erwartung und Hoffnung.
FOTO: WALTER WEHNER Der Dreiteiler „Bella Germania“erzählt eine dramatisch­e deutsch-italienisc­he Liebes- und Familienge­schichte aus der Zeit, in der viele Italiener nach Deutschlan­d kamen, um hier zu arbeiten. Als Giulietta (Silvia Busuioc, Mitte) 1968 mit ihrem Bruder Giovanni (Denis Moschitto, 2. von rechts) in dem fremden Land eintrifft, bebt sie vor Erwartung und Hoffnung.

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