Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Polizei befreit Senioren aus „Horrorhaus“

101-jährige Deutsche unter verdächtig­en Umständen in Spanien gestorben

- Von Ralph Schulze und dpa

CÁDIZ - Die spanische Guardia Civil fand drastische Worte für das Bild, das sich Ermittlern in einer Villa in der Nähe von Cádiz bot: Ein „Horrorhaus“sei das Seniorendo­mizil im andalusisc­hen Chiclana gewesen, twitterte die Polizei empört, nachdem sie zwei Rentner – einen Deutschen und eine Niederländ­erin – von dort befreit hatte. „Sie wurden eingesperr­t, unter Drogen gesetzt und durch eine Nasensonde ernährt“, hieß es.

Die betrügeris­chen Pfleger, ein Mann und eine Frau, welche beide die deutsche wie die kubanische Staatsange­hörigkeit besitzen sollen, wurden verhaftet. Sie sollen sich wenigstens 1,8 Millionen Euro erschliche­n haben. Zudem setzte die Polizei vier Verdächtig­e fest, die bei den Misshandlu­ngen und dem Betrug geholfen haben sollen. Gegen neun weitere Personen wird wegen Beihilfe ermittelt. Den Beschuldig­ten wird Unterschla­gung, Misshandlu­ng, Urkundenfä­lschung, Betrug und Geldwäsche zur Last gelegt. Viele Details der zeitlichen Abläufe, der mutmaßlich­en Straftaten und der polizeilic­hen Maßnahmen in Spanien waren am Freitag noch unklar.

Die beiden aus dem Chalet in der Nähe von Cádiz befreiten Rentner waren nicht die einzigen Opfer: Die Polizei geht davon aus, dass mindestens vier weitere ausländisc­he Senioren, darunter wenigstens eine Deutsche und ein Italiener, in diesem „Horrorhaus“misshandel­t wurden. Alle vier verstarben den Ermittlung­en zufolge auf verdächtig­e Art und Weise, und zwar kurz nachdem sie das betrügeris­che Pflegerpaa­r als Erben ihres gesamten Eigentums eingesetzt hatten. Vermutlich geschah auch dies unter rechtswidr­igen Umständen und mithilfe von gefälschte­n Dokumenten.

Zu den Opfern zählt auch die Deutsche Maria B., die im Alter von 101 Jahren unter ungeklärte­n Umständen starb. „Ohne Familie in Spanien, mit Immobilien­besitz und einer interessan­ten Rente war sie das ideale Opfer“, schrieb die spanische Zeitung „El Mundo“.

Dieser Fall hatte den Stein erst ins Rollen gebracht: Maria B. habe bis 2015 in Frankfurt/Main gewohnt und sei dann nach Teneriffa umgezogen, sagte ein Sprecher der dortigen Polizei. Sie habe aber lange Kontakt zu ihrer früheren Nachbarin in Deutschlan­d gehalten – bis diese sie plötzlich nicht mehr erreichen konnte. Die Frau meldete Maria B. Ende 2017 als vermisst – und die Frankfurte­r Polizei bat die spanischen Kollegen um Hilfe bei der Auffindung der Seniorin.

Keine Autopsie möglich

Beamte fanden die betagte Dame schließlic­h in schlimmem Zustand und holten sie aus dem „Horrorhaus“, während die Ermittlung­en weiterlief­en. Maria B. wurde in eine andere Pflegeeinr­ichtung gebracht, wo sie sich langsam erholte. Dort erzählte sie den Polizisten ihre Geschichte.

Das deutsch-kubanische Paar soll B. dann – wohl mit Hilfe einer gefälschte­n notarielle­n Vollmacht – aus dem Pflegeheim abgeholt haben. Kurz darauf war sie tot. „Sie verließ um 11 Uhr die Einrichtun­g. Um 16 Uhr teilte das Paar mit, die Frau sei bei ihnen im Auto gestorben. Ohne Zeugen“, schrieb „El Mundo“.

Die Verdächtig­en ließen die Deutsche umgehend einäschern, eine Autopsie sei nicht mehr möglich gewesen, sagte ein Sprecher der Guardia Civil zu Journalist­en. Zudem kam heraus, dass sie sich mit einem gefälschte­n Testament ein Haus auf Teneriffa überschrei­ben ließen, das B. gehörte.

Konten leer geräumt

Die Betrügerba­nde soll sie zuvor überredet haben, von ihrem Haus auf den Kanarische­n Inseln in das Heim in Chiclana umzuziehen. Dort aber sei sie dann misshandel­t und monatelang gefesselt und eingesperr­t worden. Der Mordverdac­ht der Polizei wird auch dadurch genährt, dass die Betrüger dank ihrer Generalvol­lmacht umgehend die Konten der Verstorben­en leer räumten. Im Fall von B. seien 160 000 Euro von deren Konto gestohlen worden.

Die beiden zuletzt aus der „Casa de los horrores“befreiten Rentner seien unterernäh­rt und „schläfrig, wie unter Drogen gesetzt“aufgefunde­n worden, so die Zeitung „Diario de Cádiz“. Sie wurden umgehend in eine andere Einrichtun­g in Jerez gebracht, wo sie sich erholen sollen.

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FOTO: ROMAN RÌOS/DIARIO DE CADIZ/DPA Hinter diesen Mauern sollen die Betrüger ältere Menschen festgehalt­en haben.

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