Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Weiherberg-Deponie ist ein Kosmos für sich
Sickerwasser und Deponiegas: Unzählige Mikroorganismen sorgen dafür, dass die Umwelt nicht belastet wird
FRIEDRICHSHAFEN - Störche stehen auf dem Deponiekörper, ein großer Schwarm Möwen fliegt bei der Bioabfall-Sammelstelle auf, und im Hintergrund ziehen Milane ihre Kreise. Das ist nicht alles. Auf der Deponie Weiherberg bei Raderach gibt es noch viel mehr Leben, ohne das die Deponietechnik nicht funktionieren würde und ohne das die Umwelt durch den hier noch gelagerten Müllberg erheblich belastet wäre.
Die Deponie ist 1982 in Betrieb gegangen, damals wurde der Hausmüll noch nicht getrennt. Somit lagert unter dem heute bewachsenen Hügel Müll mit hohen organischen Anteilen. Auch wurden die ersten Drainageleitungen und Abdeckungen nicht nach modernem Standard gefertigt, sie sind bisweilen undicht oder entsprechen nicht den Vorschriften, die heute für Deponien gelten. Die Folge ist austretendes Sickerwasser, das durch Niederschlag mit dem eingelagerten Müll in Berührung kommt oder eigene Feuchte, die im Müll noch enthalten ist. Das Sickerwasser muss aufgefangen und aufbereitet werden, um es in die Kanalisation zu leiten.
Wie dreckig ist Sickerwasser?
Um die Belastung von Wasser zu messen, gibt es den Wert des Chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB). Das ist die Menge Sauerstoff in Milligramm pro Liter, die für die Oxidation aller im Wasser enthaltenen Schadstoffe nötig wäre. Das Abwasser aus normalen Haushalten ist mit 300 bis 400 CSB belastet. Das Wasser, das aus der Deponie kommt, hat Werte zwischen 800 und 2000 CSB. Zunächst wird dieses Wasser in einem Stollen, der 70 Meter in die Deponie hineinreicht, zusammengeführt und gleichzeitig vermessen. Von diesem tiefsten Punkt der Anlage wird das Wasser zur Aufbereitung gepumpt. Im Stollen herrschen hohe Sicherheitsanforderungen. Hier kann Gas austreten, daher müssen die Mitarbeiter nicht nur Gaswarngeräte bei sich tragen, sondern auch Selbstrettungsausrüstung dabei haben. Zudem wird der Stollen per Video überwacht.
In der Aufbereitungsanlage wird dann unter Zuführung von Sauerstoff das im Wasser enthaltene Ammonium zu Nitrat. Das wird anschließend durch Mikroorganismen, eben jene Millionen von Lebensformen, in Stickstoff umgewandelt. Diesen Prozess überwacht in der Deponie Weiherberg Tobias Vogler. Er zeigt den weiteren Reinigungsschritt, in dem das Wasser durch Aktivkohle läuft und mit einer Belastung von nur noch rund 260 CSB aufgefangen wird. Dieses Wasser kann dann in die Kanalisation zur Kläranlage geschickt werden.
Dann wäre da noch Deponiegas
Neben dem Sickerwasser fällt in einer Deponie durch die Zersetzungsprozesse im Müll auch Methangas an. Dieses Gas muss aufgefangen werden. Es kann nicht einfach in die Atmosphäre geblasen werden, da Methan als weitaus größerer Klimakiller gilt als CO2. In mehreren Gasbrunnen auf dem Deponiekörper wird die Gassammlung kontrolliert. Dieses Gas wird in einer kleinen Brennstoffzelle in Strom umgewandelt. „Das ist aber nicht mehr sonderlich ergiebig“, sagt Christof Pichler, Sachgebietsleiter Technische Anlagen/Entsorgung im Abfallwirtschaftsamt des Bodenseekreises. Früher sei hier mal sehr viel mehr Gas angekommen. Betrieben wird die Brennstoffzelle von einem externen Unternehmen, das bundesweit solche Anlagen auf Deponien unterhält und den Strom ins Netz einspeist. Damit erfolgt die Aufbereitung und Verwertung des Deponiegases in einem Betreibermodell, hier hat der Landkreis keine laufenden Kosten.
Was kostet das alles?
Die Aufbereitung des Sickerwassers und die Sammlung des Deponiegases gibt es jedoch nicht umsonst. Der Landkreis hat dazu eine klare Rechnung. „Der Aufwand für die Reinigung des Sickerwassers liegt bei rund 600 000 Euro pro Jahr. Für die Wartung der Entgasungsanlage fallen jährliche Kosten von rund 10 000 Euro an“, teilt Robert Schwarz, Sprecher des Landkreises, mit.
Darüber hinaus fallen Kosten für Analysen und Reparaturen an, sodass sich für die Deponie jährliche Gesamtkosten in Höhe von rund 700 000 bis 800 000 Euro ergeben würden. Hierfür habe der Bodenseekreis während der Verfüllzeit Rückstellungen angespart, mit denen diese Kosten jetzt finanziert werden.
Was tun die Störche da?
Und die Störche, die zu dieser Jahreszeit eigentlich in Afrika weilen sollten? Die stehen auf der Deponie und haben reiche Nahrungsbeute. Nicht nur die zahlreichen Nagetiere, die auch die Milane anlocken, sondern auch der Biomüll sorgt für einen gedeckten Tisch. „Die Leute sollten darauf achten, was sie in den Biomüll werfen. Es sind schon Storchenjunge an Fleischwurstzipfeln in Kunstdarm und mit Metallklammer gestorben“, sagt Christof Pichler.