Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Lindaus letzter Fischer sitzt weiter auf dem Trockenen

Landgerich­t weist die Klage von Christian Iwen ab – Anwalt will zur Not bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f

- Von Julia Baumann ●»

LINDAU - „Das ist eine große Sauerei.“Christian Iwen verbirgt seine Wut und Enttäuschu­ng nicht. Das Landgerich­t Kempten hat die Klage des Lindauer Berufsfisc­hers gegen den Freistaat Bayern am Freitag abgewiesen. Er bekommt sein Hochseepat­ent, das ihm der Freistaat vor gut einem Jahr entzogen hat, nicht zurück. Aufgeben wird der 72-Jähriger allerdings nicht. „Wir gehen ganz sicher in Berufung.“Schließlic­h geht es für ihn um seine Existenz – und sein Lebenswerk.

„Das ist meine Lebensgrun­dlage, die sie mir da entziehen“, sagt Iwen. Wie bereits mehrfach berichtet, hatte das Lindauer Landratsam­t als verlängert­er Arm des Freistaats Iwen nach 54 Jahren plötzlich kein Hochseepat­ent mehr ausgestell­t. Die Begründung: Der letzte verblieben­e in Lindau ansässige Berufsfisc­her sei zu alt. Anwalt Michael Moser verwies auf eine unzulässig­e Altersdisk­riminierun­g und reichte Zivilklage beim Kemptener Landgerich­t ein. Am Freitagmor­gen dann das Urteil: Das Landgerich­t weist die Klage des Fischers ab, wie Landgerich­tssprecher Andreas Eichinger auf Anfrage der LZ mitteilt. Zur Urteilsbeg­ründung konnte Eichinger am Freitag noch nichts sagen. Sie muss den betroffene­n Parteien – Christian Iwen und dem Freistaat Bayern – erst zugestellt werden.

Doch auch ohne Urteilsbeg­ründung steht für Iwen und Moser fest: Sie gehen in die nächste Instanz, also vors Oberlandes­gericht. Und wenn es sein muss, noch viel weiter. „Dieser Fall hat Potenzial für den Europäisch­en Gerichtsho­f“, findet der Anwalt. Immerhin ginge es um eine Altersdisk­riminierun­g, für die es keinen Grund gebe. „Herr Iwen ist ja kein Pilot, er kann seinen Beruf auch im hohen Alter noch ausüben.“

Der Freistaat bezieht sich in seiner Begründung gegenüber Iwen auf einen Beschluss der Internatio­nalen Bevollmäch­tigtenkonf­erenz für die Bodenseefi­scherei (IBKF) aus dem Jahr 2015. Damals wurde unter anderem eine Altersgren­ze von 70 Jahren eingeführt. „Das ist ein Verstoß gegen das Grundgeset­z“, sagt Iwen.

„Das ist ein Verstoß gegen das Grundgeset­z.“

Und dieser Verstoß würde nicht einmal konsequent umgesetzt. Denn für 2016 und 2017 hat das Landratsam­t Iwen sein Hochseepat­ent ohne Probleme ausgestell­t. Doch auch damals war der Fischer schon über 70.

Ziel des IBKF-Beschlusse­s ist es, dass die Zahl der Fischerpat­ente auf dem Bodensee verringert wird, damit die verbleiben­den Fischer mehr fangen können. Insgesamt soll es bis 2020 nur noch 80 Hochseepat­ente geben: 36 in Baden-Württember­g, 24 in der Schweiz, zwölf in Österreich und acht in Bayern. Allerdings gibt es schon jetzt in Österreich nur noch neun Fischer mit Hochseepat­ent, in der Schweiz sind es nur 18, in Bayern dafür zehn, sodass in Summe lediglich 73 Fischer ein Hochseepat­ent haben. Selbst mit einem Patent von Christian Iwen wäre die von der IBKF geforderte Zahl also unterschri­tten.

Mit dem Wort von Markus Söder argumentie­rt

Vor Gericht hat Anwalt Michael Moser auch mit dem Wort von Ministerpr­äsident Markus Söder argumentie­rt. Wie berichtet hatte der bayerische Ministerpr­äsident bei einem Besuch in Lindau im Sommer den Fischern die konkrete Zusage mitgebrach­t, dass sie sich für die Verringeru­ng ihrer Patente noch länger Zeit lassen dürfen als bis 2020. „So ein Wortbruch ist jetzt nicht in Ordnung“, findet Iwen.

Dabei wäre der 72-Jährige sogar zu einem Kompromiss bereit gewesen. Den Schadenser­satz, den er vom Freistaat für seinen Verdiensta­usfall im vergangene­n Jahr fordert, hätte er von rund 20 000 auf 10 000 Euro reduziert. Außerdem hätte er sich anstelle eines Hochseepat­ents auch mit einem so genannten Alterspate­nt zufrieden gegeben. Damit dürfte er nur auf der Halde und mit lediglich einem Schwebnetz und drei Bodennetze­n fischen. Denn irgendwie muss er seine kleine Rente – die landwirtsc­haftliche Alterskass­e zahlt im Monat nur rund 450 Euro – aufbessern. „Und arg lang kann ich damit nicht mehr warten.“

Warum Christian Iwen das Gefühl hat, unter einem Berufsverb­ot zu leiden, erklärt er im Video auf

www.schwaebisc­he.de/iwen

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FOTO: JULIA BAUMANN Ob er seine Fischernet­ze jemals wieder benutzen kann, weiß Christian Iwen nicht.
 ?? FOTO: JULIA BAUMANN ?? Christian Iwen ist wütend: Die Fischerei ist seine Lebensgrun­dlage. Nun soll er damit aufhören, weil er angeblich zu alt ist.
FOTO: JULIA BAUMANN Christian Iwen ist wütend: Die Fischerei ist seine Lebensgrun­dlage. Nun soll er damit aufhören, weil er angeblich zu alt ist.

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