Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Keine Pirouetten auf dem Kreuzfahrt­schiff

Julia Sauter aus Ravensburg hat den Sprung zur Eiskunstla­uf-WM in Japan geschafft

- Von Thorsten Kern

RAVENSBURG - Der Vertrag für Eisshows auf einem Kreuzfahrt­schiff war bereits unterschri­eben, das Ende der sportliche­n Karriere stand kurz bevor. Julia Sauter vom ESC Ravensburg hatte nach großen Problemen mit den Bandscheib­en eigentlich keine Lust mehr, sich für Eiskunstla­ufWettbewe­rbe zu quälen. Doch plötzlich wurde der Gesundheit­szustand wieder besser, plötzlich gab es starke Ergebnisse. Und so fährt Julia Sauter, 21, in den kommenden Wochen nicht auf einem Schiff durch die Welt, sondern fliegt zur Weltmeiste­rschaft nach Japan.

„Ich habe mich wieder neu ins Eislaufen verliebt“, gesteht Julia Sauter. „Der Sport macht mir wieder richtig Spaß.“Das liegt zum einen daran, dass die gebürtige Weingarten­erin keine gesundheit­lichen Probleme mehr hat. Zum anderen aber natürlich auch an den jüngsten Erfolgen. Über allem steht dabei Platz 14 bei der Europameis­terschaft im weißrussis­chen Minsk. „Ich habe die beiden Deutschen hinter mir gelassen, bin also die beste Deutsche gewesen.“Warum Sauter das betont, ist klar. Die Läuferin des ESC Ravensburg startet nämlich seit ein paar Jahren für Rumänien. Marius Negrea, ihr Heimtraine­r beim ESCR, ist Rumäne und hat vor Jahren erreicht, dass die Oberschwäb­in Julia Sauter für sein Heimatland starten kann. Seither ist die 21-Jährige mehrfache Landesmeis­terin geworden. Platz 14 bei einer EM ist „die beste rumänische Platzierun­g jemals“gewesen.

Mehrere Nebenjobs

Viel wichtiger aber noch: Dieses Resultat hat die letzten fehlenden Pünktchen für die Qualifikat­ion für die Weltmeiste­rschaft vom 20. bis 22. März im japanische­n Saitama gebracht. „Damit hatte ich nicht mehr gerechnet“, gibt Sauter zu. Und: „Damit haben sich meine Ziele verwirklic­ht.“Nun weiß sie auch wieder, dass sich die Strapazen lohnen. Da sie nicht im deutschen Bundeskade­r ist, wird sie natürlich auch nicht vom nationalen Verband gefördert. Statt etwa in der Sportförde­rgruppe der Bundeswehr zu stehen, wie es viele andere deutsche Profis in Randsporta­rten machen, hat Julia Sauter einen Nebenjob. Besser gesagt: mehrere. „Ich bin Trainerin beim ESCR, habe ein Online-Fernstudiu­m als Heilprakti­kerin gemacht, arbeite als Betreuerin in der St.-Konrad-Schule in Ravensburg und gehe ab und zu noch zum Kellnern.“

Nur so kann sie das Leben als Eiskunstlä­uferin finanziere­n. In der Ravensburg­er CHG-Arena gibt es im Sommer keine Eisfläche. Zum Training Julia Sauter mit den Trainern des ESC Ravensburg, Roxana Hartmann und Marius Negrea. müsste Sauter also auf andere Hallen ausweichen. „Aber Sommereis ist sehr teuer“, sagt sie. Auch Kostüme und Wettkämpfe wollen und müssen bezahlt werden. Übrigens: Der Flug und die Hotelkoste­n für die WM in Japan bekommt Sauter erstmals vom Nationalen Olympische­n Komitee in Rumänien bezahlt. „Aber auch nur, weil sich mein Trainer beim Verband beschwert hat“, meint Sauter. Im kommenden Jahr ist die Europameis­terschaft in Graz, die Weltmeiste­rschaft in Montreal. „Ich weiß derzeit nicht, wie ich es finanziere­n soll.“Zwar gibt es ein paar Unterstütz­er, seit Kurzem etwa einen Juwelier aus Kiel, dessen Ohrringe Sauter dann im Wettkampf trägt. Oder die Agentur des Ravensburg­ers Florian Dietrich.

Finale wäre ein Traum

Leicht ist es als Eiskunstlä­uferin in Ravensburg aber nicht. „Beim ESCR gibt es keine andere Läuferin auf meinem Niveau“, sagt Sauter. „Ich bin Trainerin und gleichzeit­ig Topläuferi­n des Vereins, da ist es manchmal schon schwierig, sein Bestes zu geben.“Erfolge wie nun die WMQualifik­ation helfen da natürlich enorm. „Plötzlich geht alles viel einfacher“, beschreibt Sauter ihre derzeitige Hochphase.

Dass es für sie bei der WM in Japan aber extrem schwer wird, ist ihr klar. „15 Läuferinne­n sind absolute Weltspitze, die anderen 25 WM-Teilnehmer­innen sind etwa auf einem Level.“Heißt: Um den Traum vom Einzug ins Finale verwirklic­hen zu können, muss Sauter unter die besten zehn dieser anderen WM-Teilnehmer­innen kommen. 25 von 40 Starterinn­en schaffen es nach dem Kurzprogra­mm in die finale Kür. Vor mehr als 10 000 Zuschauern die gut vierminüti­ge Kür („Eine Mischung aus Swing und Herzschmer­z“) laufen zu dürfen, das hätte etwas. „Die Türen für das Kreuzfahrt­schiff stehen mir weiter offen“, sagt Sauter. Vielleicht ist es im kommenden Jahr so weit, dass sie Eisshows für Kreuzfahrt­touristen tanzt. Jetzt will sie es aber noch mal in den richtigen Eishallen wissen.

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FOTO: IMAGO Bei der Europameis­terschaft in Weißrussla­nd ist Julia Sauter für Rumänien auf Platz 14 gekommen und hat sich dadurch für die WM qualifizie­rt.
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FOTO: KERN

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