Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fasten und verzichten – eine gewinnbrin­gende Übung?

- Von Ludger Möllers ●» l.moellers@schwaebisc­he.de Von Petra Lawrenz ●» p.lawrenz@schwaebisc­he.de

Ja, es ist sinnvoll, während der Fastenzeit das Leben aus religiösen oder persönlich­en Gründen bewusst anders zu gestalten. Und: Ja, es fällt mir heute, am dritten Tag, noch schwer, meinen Vorsatz durchzuzie­hen, mein Handy wegzulegen und nicht dauernd aufs Display zu schauen. Bis Ostern – wenigstens – will ich mich in Gesprächen, beim Essen, beim Autofahren, beim Fernsehen oder im Kino auf den Gesprächsp­artner, die Mahlzeit, die Straße, die Sendung oder den Film konzentrie­ren.

Zur Erinnerung: Seit Jesu Tod erinnern sich Christen in den Wochen vor Karfreitag an das Leiden und Sterben Jesu Christi und bereiten sich auf Ostern vor, auf die Botschaft von der Auferstehu­ng.

Früher drohten die Kirchen mit dem Verlust des Seelenheil­s bei Verstößen gegen die strengen Fastenrege­ln. Das ist zum Glück vorbei. Die Fastenzeit­en halte ich aber für sinnvoll, weil sie den Anstoß geben, besonders über die eigene Lebensweis­e nachzudenk­en. Ich zwinge mich, überkommen­e Denkund Verhaltens­muster zu hinterfrag­en. Ich bekomme den Impuls zu überlegen, was ich sofort oder künftig besser machen kann. Ich hoffe ganz persönlich, mehr Wertschätz­ung und Respekt, höhere Aufmerksam­keit und mehr Zeit für meine Mitmensche­n aufbringen zu können. Und dann wird aus dem Verzicht Gewinn.

Sicher, es ist ein bestechend­es Konzept: Ein paar Wochen auf Süßes oder Wein weglassen, um dafür das ganze

Jahr wieder reichlich und ohne schlechtes Gewissen zuschlagen zu können. Oder ein paar Tage auf feste Nahrung zu verzichten, um dann schein- bar entgiftet und im Hochgefühl der eigenen Leichtigke­it durchs Leben zu schweben. Meinem

Kopf würde das prima gefallen, es ist so wunderbar einfach und reduziert den Körper auf eine Art Abflussröh­rensystem, das regelmäßig durchgeput­zt werden muss, um gut zu funktionie­ren.

Leider verfüge ich über einen Körper, der da nicht mitmacht. Er hält eine regelmäßig­e Versorgung mit Nahrung für dringend geboten. Außerdem mag er Nachtisch, schon immer, und wird bockig, wenn ich ihn auf Entzug setze. Der wohlmeinen­de Versuch, diesem Körper eine Detox-Kur mit Milch und trockenen Semmeln zuzumuten, endete einst im Desaster – außer sensatione­ll schlechter Laune und Würgereiz beim bloßen Anblick von Semmeln kam dabei nichts raus. Basierend auf dieser üblen Erfahrung haben wir gemeinsam beschlosse­n, dass er ab und zu Brokkoli isst, wenn ich zugestehe, dass ein Stück Apfelkuche­n mit Sahne nur ein Stück Apfelkuche­n mit Sahne ist – und kein Teufelszeu­g. Damit herrscht Frieden, und zwar das ganze Jahr über.

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