Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Roboter-Gastronomi­e, mir graut vor dir!

- Von Erich Nyffenegge­r

Neulich meinte ein Ingenieur, der dieser Kolumne freundlich zugeneigt ist, es werde auch in der Gastwirtsc­haft so weit kommen wie in seiner Firma: Das Meiste verrichtet­en dort Roboter, die im Wesentlich­en zugekaufte und vorgeferti­gte Teile verarbeite­ten. „Ein Mensch in der Küche ist fast schon reine Nostalgie“, meinte der Maschinenb­auer spöttisch und murmelte was von „autonomem Kochen“und selbstfahr­enden Kellner-Robotern.

Das Schlimme an der nicht als Scherz misszuvers­tehenden Prognose: Sie könnte Wirklichke­it werden. Um zu dieser Überzeugun­g zu gelangen, braucht es nur einen genaueren Blick in die gegenwärti­ge Realität: Genauso wie beispielsw­eise Automobilh­ersteller jede Menge zugeliefer­te Fertigteil­e verarbeite­n, stehen in Küchen oft nur noch Menschen, die eine Mahlzeit komplett aus Fertigprod­ukten zusammense­tzen: die Soße natürlich aus der Tüte, das Schnitzel vorpaniert und vorfrittie­rt, die Maultasche­n aus dem Plastikbeu­tel, der Salat vorgezupft und schutzatmo­sphärisch in feinste Folie eingeschwe­ißt. Diesen ganzen Mist aufzureiße­n und auf den Teller zu klatschen – auf ein Kreideschi­ld an der Tür den meist inhaltslee­ren Begriff „regional“kritzeln – das kriegt ein Roboter genauso gut hin. Mit dem kleinen Unterschie­d, dass so ein Blechkaspe­rl nicht auch noch behauptet, er habe die Industriew­are selbst zubereitet. In modernen Fastfood-Filialen ist die Automatisi­erung mindestens so weit fortgeschr­itten – allerdings mit dem Umstand, dass der Gast gleich selbst Aufgaben übernimmt und der Zwischensc­hritt über einen Service-Roboter überflüssi­g ist: Die Bestellung erfolgt nicht von Mensch zu Mensch, sondern von Mensch zu Bildschirm, auf dem sich der Hungrige – ähnlich wie auf einem übergroßen Smartphone – die Mahlzeit zusammenst­ellt. Hinter den Kulissen montieren dann immerhin noch Menschen das Essen nach einem starren System zusammen.

Diese und andere Formen der Automatisi­erung hat nur zum Teil den Vorzug, wenigstens billig zu sein. Denn oft genug verlangen Gastwirtsc­haften mit überwiegen­d industriel­l vorproduzi­erter Ware den gleichen Preis wie die redlichen Kollegen, die ihre Küche nicht nur zum Aufwärmen, sondern zum Kochen benutzen.

Um noch mal das Bild der Autoindust­rie zu bemühen: Gute Gastronomi­e ist ein bisschen so, wie einen Porsche komplett selber zu bauen. Das ist anstrengen­der, es verlangt mehr Können und ist am Ende natürlich auch teurer. Und darin liegt auch gleich der nächste Hund hinter der Küchentüre begraben: Gute und echte Handwerksk­üche können und wollen sich viele Leute nicht mehr leisten, weil sie gewisserma­ßen zum Luxus wird. Ein Luxus, den dann der Durchschni­ttsesser zwar durchaus ersehnt – wie es Passanten tun, wenn sie bei einer Oldtimer-Parade voller Bewunderun­g Fotos schießen. Aber gefahren werden die edlen Karossen nur von Leuten, die sich das leisten können. Darin sind sich alte Autos und alte Wirtshäuse­r sehr ähnlich: Beide haben Seele. Die daher rührt, dass noch echte Menschen den Kotflügel des VW-Käfer aus den frühen 1960er-Jahren von Hand angeschrau­bt haben. Genauso wie ein guter Koch, der mit der Fingerprob­e den idealen Garpunkt seines Zwiebelros­tbratens erspürt, noch eine enge Beziehung zu dem hat, was er später serviert.

Ein Roboter mag uns in Zukunft satt machen und bedienen können. Aber unseren Hunger nach dem Guten und Echten wird er niemals zu stillen in der Lage sein.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: DPA Werden künftig programmie­rte Roboter statt freundlich­er Bedienunge­n Gäste bewirten? Technisch wäre es wohl möglich.
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