Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Der Autosalon steht stark unter Strom
In Genf präsentieren die Hersteller vor allem ihre neuen E-Modelle
Beim Autosalon in Genf wurden in den letzten Jahren zwar schon immer viele Elektromodelle präsentiert. Doch zum ersten Mal scheinen die Stromer in diesem Jahr in der Überzahl. Und noch zwei Dinge sind anders: Es sind keine visionären Studien, sondern allesamt greifbare Projekte, die bald auf die Straße kommen. Und sie sind nicht unbezahlbar am oberen Ende der Skala einsortiert, sondern dort, wo wirklich die Musik spielt – bei den Kleinwagen und Kompakten.
Niemand zeigt das deutlicher als der VW-Konzern, der bei nahezu jeder seiner Marken ein Auto aus dem modularen Elektrobaukasten auf die Bühne fährt und dafür immer deutlich mehr als 300 Kilometer Reichweite und weniger als 18 Monate Wartezeit verspricht: Bei Audi ist das der Q4, der als kompakter SUV im nächsten Jahr in Serie geht, bei Seat der el-born als schnittige Alternative irgendwo zwischen Golf Sportsvan und Touran und bei Skoda die Coupélimousine Vision iV. Selbst der ID Buggy bei der Muttermarke ist mehr als eine Fingerübung, denn der Buggy soll spätestens 2021 elektrisch über den Strand flitzen.
Aber VW ist mit der elektrischen Massenmobilisierung nicht alleine. Überall geben die Stromer den Ton an: Bei Kia sind es der neue Soul, der in der dritten Generation nur noch mit Akku nach Europa kommt, und die leidenschaftliche Kompakt-Studie „Imagine“. Peugeot begnügt sich nicht mit einem nagelneuen 208, sondern kündigt gleich dazu noch eine Elektrovariante an, bei Honda zieht ein Kleinwagen im Stil des ersten Golf die Blicke auf sich und beim Volvo-Ableger Polestar ist es der Zweier, der für unter 40 000 Euro auf Konfrontationskurs zum Model 3 von Tesla geht. Zwei Nummern kleiner ist der Citroen Ami One als designierter Sharing-Stromer mit schmaler Spur und intelligenter Vernetzung und selbst die Raumfahrt setzt auf Akkuantrieb: VW kündigt deshalb zum Facelift des T6 eine Elektrovariante an und Mercedes zeigt die aufgefrischte V-Klasse sogar schon als Concept EQV und verspricht die Serienumsetzung spätestens zur IAA.
Neuheiten mit Bodenhaftung
Wer nicht allein mit Strom fahren möchte, der erhöht zumindest den Anteil der Akkuleistung und stellt neue Plug-In-Hybriden auf die Bühne – jeweils gleich vier sind es zum Beispiel bei BMW und bei Audi, bei Mercedes ist es der frisch geliftete GLC und bei VW der gerade überarbeitete Passat.
Fast schon überschaubar sind die konventionellen Neuheiten, zumal sie in diesem Jahr ebenfalls viel Bodenhaftung haben. Schließlich spielen auch die meisten VerbrennerPremieren in den Volumensegmenten – vom neuen Mazda CX-30 als kompaktem SUV über die fünfte Generation des Renault Clio und den Peugeot 208, bis zum handlichen Skoda Kamiq, der die Nachfolge des beliebten Yeti antreten will.
Vernünftige Kleinwagen, bezahlbare Elektroautos und selbst die Supersportwagen ohne schlechtes Gewissen – hat die PS-Branche den Umschwung also geschafft und die Unvernunft hinter sich gelassen? Ganz so weit sind sie in Genf dann doch noch nicht. Und es ist einmal mehr der VW-Konzern, der auch hier den Ton angibt. Denn das zum F8 Triturbo geadelte Facelift für den Ferrari 488 oder der AMG GT-R als Roadster verblassen gegen den Bentayga Speed, den Bentley mit 306 km/h als schnellster SUV der Welt feiert, den Lamborghini Aventador SV und vor allem „La Voiture Noire“von Bugatti: mit 16 Millionen Euro der teuerste Neuwagen der Welt.