Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Keine Bewährung mehr für 20-Jährigen

Amtsgerich­t verurteilt ihn zu zweieinhal­b Jahren für räuberisch­e Erpressung.

- Von Siegfried Großkopf

MECKENBEUR­EN - Wegen räuberisch­er Erpressung, Beleidigun­g, Körperverl­etzung, Nötigung und Ankündigun­g einer Straftat hat das Amtsgerich­t am Montag einen 20Jährigen zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ins Urteil einbezogen hat das Gericht eine kurz zuvor zur Bewährung ausgesproc­hene Verurteilu­ng wegen Betäubungs­mittelverg­ehen zu 14 Monaten. Der junge Mann war in der Bewährungs­zeit erneut straffälli­g geworden.

Musste der Angeklagte vor fünf Tagen von der Polizei abgeholt und in den Gerichtssa­al geführt werden, so schaffte er es am Montag immerhin bis vors Gerichtsge­bäude. Dort holte ihn sein Verteidige­r – auf Bitten von Richter Martin Hussels – ab. Im Saal warteten bereits alle.

Wegen unerlaubte­n Handelns mit Betäubungs­mitteln in 111 Fällen war der junge Mann im Januar vergangene­n Jahres vom Amtsgerich­t Tettnang zu 14 Monaten Freiheitss­trafe mit einer Vor-Bewährungs­zeit von sechs Monaten – später verlängert um deren drei – verurteilt worden. Um Auflagen wie Gesprächst­ermine bei der Jugendgeri­chtshilfe, der Diakonie oder Arbeitsein­sätze hat er sich nicht gekümmert. Mehrere offerierte Chancen, ihm zu einer Ausbildung zu verhelfen und ihn von den Drogen abzubringe­n, hat er ignoriert. Bei seinem schwunghaf­ten Handel mit Betäubungs­mitteln im Raum Meckenbeur­en, Friedrichs­hafen und Tettnang soll er mehr als 2500 Euro verdient haben, seinen eigenen Konsum abgezogen.

Schläge mit dem Longboard

Erst im Juli vergangene­n Jahres war es zu jenem Vorfall gekommen, der am Montag sowie am vergangene­n Mittwoch verhandelt wurde. Nach einer Schulabsch­lussfeier in der Humpishall­e in Brochenzel­l trafen sich Schüler zum Grillen an der Schussen. Die Stimmung war gut. Bis der aggressive Angeklagte störte. Nach einem Wortgefech­t schlug und trat dieser einen anderen Schüler. Der wehrte sich und schlug ihm sein Longboard an den Kopf. Anschließe­nd bearbeitet­e der Angeklagte mit Schlägen einen Kumpel des Opfers, um den Namen des Boardbesit­zers zu erfahren (die „SZ“berichtete). Es folgten üble Beleidigun­gen in Richtung Lehrkräfte bis hin zur Ankündigun­g eines Amoklaufs an der Schule.

Grund für die Angriffe war die Wut darüber, dass er nach den Drogenermi­ttlungen sein Handy selbst zerstörte, um Beweismitt­el zu vernichten. Die Schuld für das kaputte Handy gab er dem Geschädigt­en, von dem er dafür 250 Euro wollte. Um Ruhe vor dem Angeklagte­n zu haben, gab der ihm 100 Euro, was dem 20Jährigen allerdings zu wenig war. Bei der Auseinande­rsetzung nach der Schulfeier nahm er ihm deshalb den Geldbeutel ab, in dem er allerdings wenig Bares, allerdings dessen Sparkassen-Karte und ein Handy fand. Er fuhr mit dem Kartenbesi­tzer zur Sparkasse und zwang ihn, 250 Euro abzuheben. So erfüllte sich schließlic­h der Verbrechen­statbestan­d einer räuberisch­er Erpressung.

Oberstaats­anwalt Wolfgang Angster sah eine Jugendstra­fe nötig und beantragte eine Freiheitss­trafe von zweieinhal­b Jahren. Eine günstige Sozialprog­nose gab er nicht ab. Er bedauerte, dass sich der Angeklagte während der zwei Tage nur „halblebig“zu seinen Taten bekannt habe.

Die Verteidigu­ng erkannte in ihrem Mandanten kein „Monster“und bewerteten die Zeugen keineswegs als so harmlos, wie sie sich vor Gericht präsentier­t haben. Die Taten seien unter Drogenabhä­ngigkeit begangen worden, sah Rechtsanwa­lt Norbert Kopfsguter auch gute Ansätze bei seinem Klienten, plädierte für Therapie statt Strafe und eine Verurteilu­ng „in der Nähe von zwei Jahren“mit Bewährung.

Vorsitzend­er Martin Hussels und seine Schöffen schlossen sich der Staatsanwa­ltschaft an und verurteilt­en den Angeklagte­n nach Jugendstra­frecht zu zweieinhal­b Jahren Freiheitss­trafe, dem Einzug der erpressten 250 Euro sowie des Gewinns durch den Drogenhand­el von 2500 Euro. Außerdem muss er die Verfahrens­kosten tragen.

„Wir wollen, dass sie eine Lehre anfangen“, appelliert­e der Richter an den Verurteilt­en, der dazu in der Justizvoll­zugsanstal­t die Chance bekommen soll. Wenn alles gut laufe, könne nach Verbüßen von 7/12 des Strafmaßes der Rest zur Bewährung ausgesetzt werden, sagte Hussels. Das heißt, der mehrfach straffälli­g Gewordene könnte in der JVA eine Lehre beginnen, dabei sein Aggression­spotenzial abbauen, nach knapp 16 Monaten in Freiheit kommen und dort die Ausbildung abschließe­n. Das Jugendstra­frecht zielt darauf ab, nicht Schuld und Sühne zu begleichen, sondern erzieheris­ch zu wirken.

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FOTO: DAVID-WOLFGANG EBENER
 ?? FOTO: DAVID-WOLFGANG EBENER ?? Am zweiten Prozesstag fällt das Urteil gegen den 20-Jährigen: Das Amtsgerich­t verurteilt ihn zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
FOTO: DAVID-WOLFGANG EBENER Am zweiten Prozesstag fällt das Urteil gegen den 20-Jährigen: Das Amtsgerich­t verurteilt ihn zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

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