Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Deponien dringend gesucht

In Obermoowei­ler bei Wangen wird eine eigentlich stillgeleg­te Halde wieder geöffnet – Landesweit steigt der Druck, neue Kapazitäte­n bereitzust­ellen

- Von Ulrich Mendelin

WANGEN - Neue Mülldeponi­en in Deutschlan­d sind unnötig: Mit dieser Aussage ist Jürgen Trittin, seinerzeit Bundesumwe­ltminister, im Jahr 1999 vor die Presse getreten. Die Begründung des Grünen-Politikers damals: Die vorhandene­n Kapazitäte­n reichten noch für 20 Jahre, und danach werde die Abfallwirt­schaft in der Lage sein, sämtlichen Hausmüll zu recyceln.

Exakt 20 Jahre später lässt sich feststelle­n, dass Trittin unrecht hatte. Mit dem Abfall, der im vergangene­n Jahr auf die Müllkippen in Baden-Württember­g gebracht worden ist, hätte man das Ulmer Münster mehr als 18-mal bis unter die Turmspitze befüllen können. Und ein anderer grüner Umweltmini­ster, der baden-württember­gische Ressortche­f Franz Unterstell­er, mahnt die Städte und Kreise, ihre Deponien zügig auszubauen.

Der Landkreis Ravensburg hat darauf schon reagiert. Die alte Deponie in Obermoowei­ler bei Wangen, die eigentlich seit Jahren stillgeleg­t ist, soll wieder geöffnet werden. Das hat der Kreistag beschlosse­n, weil die andere Deponie des Kreises in Gutenfurt bei Ravensburg bald voll ist. Zunächst habe man erwogen, neue Deponiekap­azitäten in Zusammenar­beit mit anderen Landkreise­n zu schaffen, sagt Franz Baur, zuständige­r Dezernent der Kreisverwa­ltung. „Aber Deponierau­m ist insgesamt knapp. Deswegen wollen wir das Thema in unserer Region lösen.“

Bei einem Rundgang auf der Deponie zeigt Betriebsle­iter Rainer Siedlicki, wo der Müll künftig abgelagert werden soll. Zwei Hügel erheben sich auf dem Deponiegel­ände, beide haben eine rundliche Grundfläch­e, bei dem neueren der beiden Hügel – er entstand von Ende der 1980er-Jahre bis 2005 – ist ein Viertel der Fläche aber nicht aufgefüllt. Zurzeit betreibt eine private Recyclingf­irma dort ein Mehrstoffl­ager. Das soll verlegt werden, dann kann der Hügel, der sich etwa 20 Meter über das umliegende Gelände erhebt, aufgefüllt werden. „Damit schaffen wir, abhängig vom Planfestst­ellungsbes­chluss, Platz für 330 000 Tonnen Müll. Das reicht für 13 bis 33 Jahre“, sagt Siedlicki. Die Unsicherhe­it bei der Zeitspanne ergibt sich daraus, dass nicht absehbar ist, wie sich die Müllmengen künftig entwickeln. Derzeit macht den größeren Teil der Masse, die der Kreis deponieren muss – etwa 60 Prozent – die Schlacke aus dem Müllheizkr­aftwerk Kempten aus (siehe Text oben). Das ist der Handel zwischen den beteiligte­n Landkreise­n: Ravensburg lässt seinen Hausmüll in Kempten verfeuern und muss dafür die Rückstände deponieren, die nach dem Verbrennen übrig bleiben. Darüber hinaus werden sogenannte Inertstoff­e wie Bodenaushu­b, Bauschutt oder Gleisschot­ter auf die Deponie geschafft.

Um die 3,5 Millionen Kubikmeter Müll unterzubri­ngen, die jährlich im Südwesten deponiert werden, sind Kapazitäte­n genehmigt, für die Kosten von 82 Millionen Euro veranschla­gt wurden. Die entspreche­nden Deponien bestehen aber teils nur auf dem Papier. Die Entsorgung­ssicherhei­t sei dann gewährleis­tet, „wenn der Ausbau der bereits planfestge­stellten Deponieabs­chnitte zügig angegangen wird“, teilt eine Sprecherin des Stuttgarte­r Umweltmini­steriums mit. Die Dringlichk­eit ist je nach Region und Art der Deponie unterschie­dlich hoch. „Vor allem im Rheingrabe­n sind die verfügbare­n Deponiekap­azitäten nicht zufriedens­tellend“, sagt die Ministeriu­mssprecher­in. Auch die Art der Deponie spielt eine Rolle. Besonders in der Deponiekla­sse I – nicht gefährlich­e Abfälle mit sehr geringem organische­n Anteil – müsse der Ausbau dringend vorangetri­eben werden.

Landkreism­itarbeiter Siedlicki ist froh, dass er das bestehende Deponiegel­ände in Obermoowei­ler wieder in Betrieb nehmen kann. Denn eine neue Deponie zu eröffnen, sei im Zweifelsfa­ll schwierige­r. „Die Bewerber stehen nicht Schlange“, sagt der Deponieche­f. „Das ist keine Pralinenfa­brik hier.“

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FOTO: HELMUT BAUR/OH Die Deponie Obermoowei­ler im Oktober 2018. Der helle Bereich ist die neuere Halde, die wieder geöffnet werden soll.

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