Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Opposition vermutet Kalkül hinter neuer Geheimhalt­ung

- Von Ellen Hasenkamp, Berlin

Maximale Transparen­z auch bei den unangenehm­en Wahrheiten über den Zustand der Waffensyst­eme der Bundeswehr – das war bislang die Strategie des Verteidigu­ngsministe­riums unter Ursula von der Leyen (CDU). Die Ressortche­fin wollte so den Druck zur Veränderun­g erhöhen.

Jetzt gilt offenbar: Kommando zurück. Erstmals wurde der Bericht zur Einsatzber­eitschaft des Großgeräts als geheim eingestuft, wie Generalins­pekteur Eberhard Zorn am Montag in einem Schreiben an den zuständige­n Bundestags­ausschuss mitteilte. Der jährliche Bericht, der seit 2014 vorgelegt wird, sei diesmal „umfangreic­her und detaillier­ter“. Er lasse „so konkrete Rückschlüs­se auf die aktuellen Fähigkeite­n der Bundeswehr zu, dass eine Kenntnisna­hme durch Unbefugte die Sicherheit­sinteresse­n der Bundesrepu­blik Deutschlan­d schädigen würde“, argumentie­rte Zorn. Mit der Geheimhalt­ung würden auch Soldaten geschützt.

Die Einstufung bedeutet, dass auch die für Bundeswehr und Rüstungsau­sgaben zuständige­n Parlamenta­rier den Bericht nur in der Geheimschu­tzstelle des Bundestags einsehen, nicht mitnehmen und grundsätzl­ich darüber nicht öffentlich sprechen dürfen. In den Jahren zuvor war das anders. Der im Februar 2018 veröffentl­ichte Bericht beispielsw­eise legte teils schwerwieg­ende Mängel dar. So waren damals von 128 Eurofighte­rn nur 39 einsatzber­eit oder von 72 Transporth­ubschraube­rn CH 53 nur 16. Entspreche­nd negativ war damals das Echo in der Öffentlich­keit.

„Katastroph­aler Zustand“

Die Opposition vermutet daher hinter der neuen Geheimhalt­ung weniger Sicherheit­sbelange als Sorge um den Ruf von Truppe und Ministeriu­m. „Anscheinen­d ist die Einsatzber­eitschaft der Bundeswehr so schlecht, dass es besser die Öffentlich­keit nicht erfahren sollte“, sagte der Grünen-Politiker Tobias Lindner dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Auch seine FDP-Kollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann äußerte sich irritiert. „Ich nehme an, der Zustand ist so katastroph­al, dass man darüber lieber laut und öffentlich nicht sprechen möchte.“

Nach Angaben von Zorn lag die materielle Einsatzber­eitschaft der knapp 10 000 Einzelsyst­eme im zurücklieg­enden Jahr bei rund 70 Prozent. Aus dieser Zahl herausgere­chnet sind dabei bereits ohnehin nötige Wartungs- und Modernisie­rungsarbei­ten. „Damit war die Bundeswehr trotz erhebliche­r Mehrbelast­ung aktuell in der Lage, ihren Auftrag im Einsatz, in einsatzgle­ichen Verpflicht­ungen und im Grundbetri­eb zu erfüllen“, schrieb der oberste Bundeswehr-Soldat. Verbessert hat sich nach seinen Angaben unter anderem die Einsatzber­eitschaft der Transportp­anzer „Boxer“und der Transportf­lieger A400M. Besonders desolat sei in der ersten Jahreshälf­te der Zustand der U-Boote gewesen. Der Bericht soll nach Zorns Angaben künftig halbjährli­ch anstatt wie bisher nur einmal pro Jahr vorgelegt werden – hinter verschloss­enen Türen allerdings.

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FOTO: DPA Von 72 Transporth­ubschraube­rn vom Typ CH 53 waren 2017 nur 16 einsatzber­eit.

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