Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Digitalste­uer als Nebelkerze

Neue Abgaben für Internetfi­rmen wie Facebook, Google & Co. wird die EU erst einmal nicht beschließe­n

- Von Hannes Koch

BERLIN - Eine neue europäisch­e Steuer für Digitalkon­zerne wird es vorläufig nicht geben. Das war am Montag aus dem Bundesfina­nzminister­ium (BMF) zu hören. Dort rechnet man damit, dass der Rat der EU-Finanzmini­ster den deutschfra­nzösischen Vorschlag für eine solche Abgabe am Dienstag ablehnt.

Die beiden Regierunge­n plädieren dafür, eine zusätzlich­e Steuer von drei Prozent auf Werbeumsät­ze zu erheben, die Digitalkon­zerne in der EU erzielen (DAT, digital advertisem­ent tax). Diese soll ab 2021 greifen. Vier Regierunge­n seien allerdings dagegen, hieß es im Finanzmini­sterium – Dänemark, Finnland, Schweden und Irland. Weil die EU in Steuerfrag­en einstimmig beschließe­n muss, wird es also wohl nichts.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) ist jedoch froh, dass es nicht klappt. Die DAT sei nur eine „Interimslö­sung“, hieß es am Montag im BMF. Ihre Einführung dürfe eine globale Vereinbaru­ng „nicht aufs Spiel setzen“. Scholz findet auch die vor einem Jahr veröffentl­ichte EUInitiati­ve für eine neue Umsatzsteu­er falsch, die vor allem US-Internetko­nzerne wie Google, Amazon, Airbnb oder Facebook zahlen sollen. Ebenfalls kritisch betrachtet der Minister, dass die französisc­he Regierung Internetum­sätze und Einnahmen aus Nutzerdate­n bald national besteuern will.

Scholz steht zusätzlich­en Umsatzsteu­ern auf digitale Dienstleis­tungen grundsätzl­ich skeptisch gegenüber. Führte Europa sie ein, könnten die Regierunge­n der USA und China auf die Idee kommen, den dortigen Umsatz mit Produkten deutscher Konzerne ebenfalls höher zu besteuern. Dadurch sinken möglicherw­eise die Auslandsge­winne von Daimler, BMW und Siemens, was die Steuereinn­ahmen bundesdeut­scher Finanzämte­r schmälern könnte.

OECD-Lösung als Alternativ­e

Stattdesse­n strebt der SPD-Minister eine internatio­nale Lösung im Rahmen der Industriel­änder-Organisati­on OECD an. Diese versucht, ein globales Abkommen unter anderem zur Mindestbes­teuerung von transnatio­nalen Unternehme­n zu schaffen. Dabei bliebe es bei der bisherigen Systematik, dass Abgaben auf die Einnahmen am Sitz und dem Ort der Produktion erhoben werden. Zusätzlich­e Umsatzsteu­ern für ausländisc­he Firmen spielten kaum eine Rolle.

Im Finanzmini­sterium denkt man, dass dieser Ansatz aussichtsr­eicher ist. An den internatio­nalen Verhandlun­gen nehmen demzufolge über 129 Staaten teil, auch die USA. Ein Einstimmig­keitsprinz­ip wie in der EU existiert dort nicht. Das BMF verweist auf Erfolge der OECD bei der Bekämpfung der Steuerverm­eidung durch internatio­nal tätige Unternehme­n. So hat die EU eine Richtlinie gegen Steuerverm­eidung beschlosse­n, die die Mitgliedst­aaten nun umsetzen müssen. In dieser Logik dient der OECD-Prozess dazu, mit äußerem Druck Fortschrit­te in der EU zu erreichen, die in internen Verhandlun­gen nicht möglich sind. Ob es allerdings jemals zu einem internatio­nalen Abkommen zur Mindestbes­teuerung kommt, steht in den Sternen.

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FOTO: DPA Olaf Scholz

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