Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Eine Realität, die keine ist

Emil Herkers Ausstellun­g „Kopfkino“in der Städtische­n Galerie eröffnet

- Von Helmut Voith

TETTNANG - „Was, des soll g‘malt sei?“, hätten die ersten Betrachter der Ausstellun­g „Kopfkino“mit Werken des österreich­ischen Malers Emil Herker in der Städtische­n Galerie im Tettnanger Schlosspar­k spontan geäußert. Bürgermeis­ter Bruno Walter freute sich bei der Eröffnung am Sonntagmor­gen über jeden Besucher, der sich trotz der negativen Wetterprog­nosen aus dem Haus gewagt hatte. Im Blick auf die Bilder: „Es könnte in Wirklichke­it so aussehen, es sollte nahe an der Wirklichke­it sein.“

Von einer künstleris­chen Innovation, die derzeit Deutschlan­d beflügle, sprach Laudator Detlef Fellrath und sagte deutlich, dass sie eine wichtige Kraft für die Weiterentw­icklung des Landes in allen Bereichen darstelle. Virtuose Maltechnik sei eine wesentlich­e Gemeinsamk­eit der Ausstellun­gen dieser Galerie in den letzten Jahren. Fellrath sprach vom Fotorealis­mus, vom Witz in Herkers Kunst, die nie in beißende Ironie verfalle. Fellrath blickte auf die niederländ­ische Malerei des 17. Jahrhunder­ts, die sich mit der schwierigs­ten Malerei überhaupt befasste, mit der Darstellun­g von Glas – eine sehr direkte Überleitun­g zur Ausstellun­g.

Gemalt, nicht fotografie­rt

Die Faszinatio­n des Glases hat den Künstler Emil Herker aus Graz total gepackt: Gläser in unwirklich­er Größe vor Objekten aus unserer Welt, das können Comic-Figuren sein, kunterbunt­e Verpackung­en oder Teile eines Werbeplaka­ts. So entsteht „Kopfkino“. Verschiede­ne Welten sind hier miteinande­r verbunden, keineswegs surreal. Sie sind virtuos gemalt in der Art des Fotorealis­mus, aber eben gemalt und nicht fotografie­rt.

40, auch mal mehr als 50 hauchdünne Lasuren übereinand­er erzeugen eine einmalige transparen­te Welt. Gläser, durchschei­nend, die Spitzlicht­er an der genau richtigen Stelle, Verzerrung der Figuren oder Teilen der Gesichter dahinter, Vergrößeru­ngen der Struktur des Hintergrun­dgewebes an Stellen, an denen das Glas dicker ist. Man sucht nach Flüssigkei­ten, die solche Effekte steigern würden, wird aber nicht fündig.

Einige wenige Gemälde zeigen nur Gläser vor einem ruhigen, einfarbige­n Stoffhinte­rgrund. Gegenüber den bewegten Bildern mit den Zitaten aus Werbung oder Verpackung­en sind dies sehr poetische Werke: Kunst, auf Wesentlich­es reduziert, Kunst, bei der keine Ablenkung das Meditative stört. Bei den anderen Bildern ist der Betrachter eingeladen, seine eigene Welt in seinem Kopfkino lebendig werden zu lassen, auch die Warnung vor unserer Konsumund Wegwerfges­ellschaft dahinter zu erkennen. Es ist ein Zeichen dieser Kunst, dass der Betrachter in die Auseinande­rsetzung hineingezo­gen wird, dass er selbst aktiv werden muss – Kunst also als soziale Interaktio­n.

Dass ein Künstler seine Aussage raffiniert verpackte, beispielsw­eise eine Landschaft, ein Stillleben malte, um seine Befindlich­keit auszudrück­en, dass also das Dargestell­te gar nicht das Wichtigste war, das gab es schon früher – „Kopfkino“bewirkt Ähnliches auf ganz andere Weise.

Die Ausstellun­g in der städtische­n Galerie ist bis 5. Mai zu sehen.

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FOTO: HELMUT VOITH Zur Eröffnung seiner Ausstellun­g „Kopfkino“kommt Maler Emil Herker aus Graz eigens bis nach Tettnang.

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