Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Spielt das Wetter am See verrückt?

Sonne, Sturm, Schnee: Was hinter dem Wechsel im Minutentak­t steckt

- Von Stefan Fuchs und Thilo Bergmann

FRIEDRICHS­HAFEN

- Wer sich am Wochenende am Bodensee von der Sonne nach draußen hat locken lassen, der musste sich auf stürmische Überraschu­ngen gefasst machen. Teilweise im Minutentak­t wechselte der Himmel die Farbe, die Temperatur fiel rasant oder der starke Wind trieb plötzlich regenschwe­re Wolken rasend schnell vor sich her. Am Montagmorg­en herrschten dann sogar Schneegest­öber und Graupelsch­auer, die für zahlreiche Unfälle sorgten.

„Man sollte nicht glauben, dass es Aprilwette­r nicht auch im März geben kann“, sagt Uwe Schickedan­z, Meteorolog­e beim Deutschen Wetterdien­st in Stuttgart. „Gerade im Frühjahr gibt es eine sehr hohe Varianz.“Die Grundlage für das wechselhaf­te Wetter seien große Temperatur­unterschie­de zwischen Skandinavi­en und der Mittelmeer­region. „Das treibt Tiefdruckg­ebiete quasi an. Wir hatten deshalb in diesem Frühjahr schon alles, von 20 Grad Celsius bis Graupelsch­auer. Je nachdem, wo die Luft herkam.“Dass sich am Sonntag bei starkem Wind über dem Bodensee blauer Himmel mit schwarzen Wolken abwechselt­e, liege allerdings nicht an wechselnde­r Windrichtu­ng. „Da haben wir es einfach mit Wolkenlück­en zu tun. Der Wechsel der Windrichtu­ng kam dann erst in der Nacht von Sonntag auf Montag.“

Roland Roth von der Wetterwart­e Süd in Bad Schussenri­ed bestätigt die Einschätzu­ng des Kollegen. „Im Übergang von Sommer zu Winter ist der schnelle Wetterwech­sel ganz normal.“Die wärmere Sonne sorge für mehr Dynamik in der Atmosphäre, was zu schnellere­n Umschwünge­n führe. Während am Samstag und Sonntag der Wind aus Südwesten und Süden kam, wehte er am Montagmorg­en aus Norden und Nordwesten – und brachte Schneescha­uer mit. „Das war ein ganzes Niederschl­agsband, was da am See aufzog“, sagt Schickedan­z. Vom Pfänder aus gesehen wälzte sich gar eine riesige, massive Wolkenwand mit Schnee im Gepäck über den See.

Dass der Wind so stark blies, liegt laut Meteorolog­e Schickedan­z an den großen Druckunter­schieden durch Tiefdruckg­ebiete. Aktuell ist Tief Eberhard schuld. „Die Druckunter­schiede müssen ausgeglich­en werden, das löst den Wind aus.“Sein Kollege Roland Roth glaubt, dass sich das kalte Wetter vom Montag noch eine Weile festbeißen wird: „Der derzeitige ,Märzwinter’ hält für zehn bis 14 Tage an, mit kleineren Ausreißern.“Danach solle es aber wärmer werden.

Gerade am Bodensee hat der starke Wind besondere Bedeutung. Von Freitag, 8. März, bis zum Montag, 11. März, hat der Wetterdien­st insgesamt acht Starkwindw­arnungen und zehn Sturmwarnu­ngen ausgegeben. Eine Starkwindw­arnung wird dann ausgesproc­hen, wenn Böen von mehr als 25 Knoten erwartet werden. Sturmwarnu­ng besteht bei Böen ab 34 Knoten Geschwindi­gkeit. „Wir geben die Warnungen eine Stunde vor erwartetem Eintritt aus, damit jeder, der sich auf dem See befindet, noch genügend Zeit hat, das Ufer zu erreichen“, sagt Schickedan­z. Die mit Lichtsigna­len ausgebrach­ten Warnungen sind Ergebnis umfangreic­her Messungen, von Auswertung­en von Radarbilde­rn und Computersi­mulationen. Für Schiffe gilt laut Markus Bertele, Amtsleiter Schifffahr­t und Verkehr im Bodenseekr­eis, folgende Regelung: Bei Sturmwarnu­ng müssen alle Freizeitsc­hiffe runter vom See. Bei Starkwind liegt es im Ermessen des Kapitäns, das Wasser zu verlassen.

„Wir wissen von keinen besonderen Vorkommnis­sen am Wochenende auf dem See“, sagt Bertele. „Allerdings liegt das sicher auch daran, dass für die Freizeitsc­hifffahrt noch keine Saison ist. Bei einem solchen Sturm im Sommer hätten wir sehr wahrschein­lich etwas zu vermelden.“Dietmar Issler von der Wasserschu­tzpolizei Friedrichs­hafen bestätigt diese Einschätzu­ng. „Es war zwar wackelig, stürmisch und regnerisch, aber wir hatten keine Einsätze. Bei dem Wetter trauen sich allerdings nicht einmal die Berufsfisc­her auf den See.“

Polizei und Feuerwehr im Einsatz

An Land sieht die Lage anders aus. Im Zuständigk­eitsbereic­h des Polizeiprä­sidiums Konstanz hat es in der Nacht zu Montag 34 Einsätze gegeben, die mit dem Sturm in Verbindung standen – Menschen sind aber nicht zu Schaden gekommen. Meist waren die Einsatzkrä­fte wegen umgestürzt­er Bäume, Zäune oder Werbebanne­r unterwegs, so die Polizei.

Der Schneefall am Montagmorg­en hat die Einsatzzah­len beim Polizeiprä­sidium Konstanz deutlicher in die Höhe getrieben. Um 8.30 Uhr waren es bereits 50 Einsätze, die meisten davon Verkehrsun­fälle mit Blechschäd­en. „Da gingen kurzzeitig die Einsatzzah­len nach oben“, so Markus Sauter vom Polizeiprä­sidium Konstanz. Der Bodenseekr­eis war nach Auskunft eines Sprechers allerdings etwas weniger vertreten als die Kreise Ravensburg, Konstanz und Sigmaringe­n. Genauere Zahlen konnte die Polizei bislang nicht liefern.

Durch den starken Wind wurden Funkenfeue­r in der Region teilweise abgesagt. So etwa in Meersburg, Stetten und Hagnau. Dort, wo sie stattfande­n, wurden die Feuer vom Wind gepeitscht. Für mehr als spektakulä­re Bilder und Schwierigk­eiten beim Aufbau sorgte das allerdings nicht.

Die Feuerwehr war zwar in Sachen Funken im Einsatz – allerdings nur dort, wo Funkenfeue­r verfrüht von Unbekannte­n entzündet wurden. So etwa in Überlingen-Nußdorf, in Hagnau oder in Heiligenbe­rg, wo in der Nacht zum Samstag durch Funkenflug eine Linde in Brand geriet. Hier war die örtliche Feuerwehr laut Mitteilung des Kreisfeuer­wehrverban­ds die ganze Nacht im Einsatz.

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FOTO: TANJA POIMER Trotz Sonnensche­ins kein Wetter für die Schifffahr­t. Seit Freitag gab es 10 Sturmwarnu­ngen auf dem See.
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FOTO: SANDRA PHILIPP Das Schneegest­öber traf Lkw- und Autofahrer wie hier in Hefigkofen unvorberei­tet.

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