Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Spielt das Wetter am See verrückt?
Sonne, Sturm, Schnee: Was hinter dem Wechsel im Minutentakt steckt
FRIEDRICHSHAFEN
- Wer sich am Wochenende am Bodensee von der Sonne nach draußen hat locken lassen, der musste sich auf stürmische Überraschungen gefasst machen. Teilweise im Minutentakt wechselte der Himmel die Farbe, die Temperatur fiel rasant oder der starke Wind trieb plötzlich regenschwere Wolken rasend schnell vor sich her. Am Montagmorgen herrschten dann sogar Schneegestöber und Graupelschauer, die für zahlreiche Unfälle sorgten.
„Man sollte nicht glauben, dass es Aprilwetter nicht auch im März geben kann“, sagt Uwe Schickedanz, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Stuttgart. „Gerade im Frühjahr gibt es eine sehr hohe Varianz.“Die Grundlage für das wechselhafte Wetter seien große Temperaturunterschiede zwischen Skandinavien und der Mittelmeerregion. „Das treibt Tiefdruckgebiete quasi an. Wir hatten deshalb in diesem Frühjahr schon alles, von 20 Grad Celsius bis Graupelschauer. Je nachdem, wo die Luft herkam.“Dass sich am Sonntag bei starkem Wind über dem Bodensee blauer Himmel mit schwarzen Wolken abwechselte, liege allerdings nicht an wechselnder Windrichtung. „Da haben wir es einfach mit Wolkenlücken zu tun. Der Wechsel der Windrichtung kam dann erst in der Nacht von Sonntag auf Montag.“
Roland Roth von der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried bestätigt die Einschätzung des Kollegen. „Im Übergang von Sommer zu Winter ist der schnelle Wetterwechsel ganz normal.“Die wärmere Sonne sorge für mehr Dynamik in der Atmosphäre, was zu schnelleren Umschwüngen führe. Während am Samstag und Sonntag der Wind aus Südwesten und Süden kam, wehte er am Montagmorgen aus Norden und Nordwesten – und brachte Schneeschauer mit. „Das war ein ganzes Niederschlagsband, was da am See aufzog“, sagt Schickedanz. Vom Pfänder aus gesehen wälzte sich gar eine riesige, massive Wolkenwand mit Schnee im Gepäck über den See.
Dass der Wind so stark blies, liegt laut Meteorologe Schickedanz an den großen Druckunterschieden durch Tiefdruckgebiete. Aktuell ist Tief Eberhard schuld. „Die Druckunterschiede müssen ausgeglichen werden, das löst den Wind aus.“Sein Kollege Roland Roth glaubt, dass sich das kalte Wetter vom Montag noch eine Weile festbeißen wird: „Der derzeitige ,Märzwinter’ hält für zehn bis 14 Tage an, mit kleineren Ausreißern.“Danach solle es aber wärmer werden.
Gerade am Bodensee hat der starke Wind besondere Bedeutung. Von Freitag, 8. März, bis zum Montag, 11. März, hat der Wetterdienst insgesamt acht Starkwindwarnungen und zehn Sturmwarnungen ausgegeben. Eine Starkwindwarnung wird dann ausgesprochen, wenn Böen von mehr als 25 Knoten erwartet werden. Sturmwarnung besteht bei Böen ab 34 Knoten Geschwindigkeit. „Wir geben die Warnungen eine Stunde vor erwartetem Eintritt aus, damit jeder, der sich auf dem See befindet, noch genügend Zeit hat, das Ufer zu erreichen“, sagt Schickedanz. Die mit Lichtsignalen ausgebrachten Warnungen sind Ergebnis umfangreicher Messungen, von Auswertungen von Radarbildern und Computersimulationen. Für Schiffe gilt laut Markus Bertele, Amtsleiter Schifffahrt und Verkehr im Bodenseekreis, folgende Regelung: Bei Sturmwarnung müssen alle Freizeitschiffe runter vom See. Bei Starkwind liegt es im Ermessen des Kapitäns, das Wasser zu verlassen.
„Wir wissen von keinen besonderen Vorkommnissen am Wochenende auf dem See“, sagt Bertele. „Allerdings liegt das sicher auch daran, dass für die Freizeitschifffahrt noch keine Saison ist. Bei einem solchen Sturm im Sommer hätten wir sehr wahrscheinlich etwas zu vermelden.“Dietmar Issler von der Wasserschutzpolizei Friedrichshafen bestätigt diese Einschätzung. „Es war zwar wackelig, stürmisch und regnerisch, aber wir hatten keine Einsätze. Bei dem Wetter trauen sich allerdings nicht einmal die Berufsfischer auf den See.“
Polizei und Feuerwehr im Einsatz
An Land sieht die Lage anders aus. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Konstanz hat es in der Nacht zu Montag 34 Einsätze gegeben, die mit dem Sturm in Verbindung standen – Menschen sind aber nicht zu Schaden gekommen. Meist waren die Einsatzkräfte wegen umgestürzter Bäume, Zäune oder Werbebanner unterwegs, so die Polizei.
Der Schneefall am Montagmorgen hat die Einsatzzahlen beim Polizeipräsidium Konstanz deutlicher in die Höhe getrieben. Um 8.30 Uhr waren es bereits 50 Einsätze, die meisten davon Verkehrsunfälle mit Blechschäden. „Da gingen kurzzeitig die Einsatzzahlen nach oben“, so Markus Sauter vom Polizeipräsidium Konstanz. Der Bodenseekreis war nach Auskunft eines Sprechers allerdings etwas weniger vertreten als die Kreise Ravensburg, Konstanz und Sigmaringen. Genauere Zahlen konnte die Polizei bislang nicht liefern.
Durch den starken Wind wurden Funkenfeuer in der Region teilweise abgesagt. So etwa in Meersburg, Stetten und Hagnau. Dort, wo sie stattfanden, wurden die Feuer vom Wind gepeitscht. Für mehr als spektakuläre Bilder und Schwierigkeiten beim Aufbau sorgte das allerdings nicht.
Die Feuerwehr war zwar in Sachen Funken im Einsatz – allerdings nur dort, wo Funkenfeuer verfrüht von Unbekannten entzündet wurden. So etwa in Überlingen-Nußdorf, in Hagnau oder in Heiligenberg, wo in der Nacht zum Samstag durch Funkenflug eine Linde in Brand geriet. Hier war die örtliche Feuerwehr laut Mitteilung des Kreisfeuerwehrverbands die ganze Nacht im Einsatz.