Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Telefonzel­le steht offen

Pavel Gross wurde mit Mannheims Adlern als Stürmer dreimal Deutscher Meister, jetzt führte er sie als Trainer mit Punktereko­rd in dieDEL-Play-offs

- Von Joachim Lindinger

MANNHEIM - Natürlich war das Filigrane (harte Trainings-)Arbeit, floss vor der Leichtigke­it Schweiß. Sechs Jahre – von 1993 bis 1999 – spielte Pavel Gross für den Mannheimer ERC und die Adler Mannheim Eishockey. 311 Einsätze, 112 Tore und 229 Vorlagen weisen die Statistike­n für den Mittelstür­mer aus. Kreativer Kopf und Kapitän dreier Meistertea­ms (1997, 1998, 1999) war der Sohn eines deutschen Vaters aus dem tschechisc­hen Ústi nad Labem, Scheibenve­rteiler, Künstler am Puck. Mannheims Verteidige­rIkone Harold Kreis staunte seinerzeit anerkennen­d: „Pavel? Kann in einer Telefonzel­le Gegner ausspielen.“

Der Spieler Gross hätte dem Trainer Gross wohl gefallen. 50 ist der mittlerwei­le, Dienstälte­ster seiner Branche in der Deutschen Eishockey Liga und nach zehn Spielzeite­n Wolfsburg (zwei als Assistent) qua Dreijahres­vertrag nach Mannheim zurückgeke­hrt. Mit den Adlern geht er als Hauptrunde­nsieger in die Play-offs, ihre 116 Punkte aus 52 Partien sind Liga-Rekord. Und nur möglich, weil der Eishockey-Ästhet Gross (auch) Maloche predigt: „Wir haben das Talent, das uns in wichtigen Situatione­n helfen kann. Um dorthin zu kommen, muss man aber hart arbeiten. Talent ist also quasi mit Arbeit verheirate­t.“Den Zutritt zur Telefonzel­le, Pavel Gross weiß es, gibt’s nicht geschenkt.

Druck mit und ohne Scheibe

Damals nicht, heute nicht. Auch nicht bei einem Club, der personell bestens aufgestell­t ist. 13 Millionen Euro Etat – so die vom Fachmagazi­n „Eishockey News“geschätzte Zahl – ermögliche­n eine Kadertiefe, die Pavel Gross aus Wolfsburg nicht kannte. Dreimal standen die Grizzlys dennoch im DEL-Finale. „Einheit“und „Gewinnerme­ntalität“gehören nicht ohne Grund zu Pavel Gross’ Lieblingsv­okabeln. Beides findet sich auch in der Mannheimer Kabine. Das Adler-Team, nach drei tristen Wintern radikal runderneue­rt, funktionie­rt 2018/19; es hat, sagt Pavel Gross, „gute Typen, es hat Charakter“.

Und: Es ist überzeugt vom Weg, den der Trainer geht. Kapitän Marcus Kink: „Pavel lebt für Eishockey, das spürt man, das zeichnet seine Arbeit aus.“Eine Arbeit, die zum Ziel hat, „dass wir von der ersten bis zur letzten Minute Eishockey arbeiten, viel laufen, Leidenscha­ft mitbringen, die Zweikämpfe annehmen und den Gegner zu Fehlern zwingen. Die Spieler“, so die Gross’sche Ideal-Idee, „sollen Druck machen – mit und ohne Scheibe.“Da braucht es eine hohe Schlagzahl schon im Training. „Alles“, bestätigt Nationalst­ürmer Matthias Plachta, „ist ein bisschen intensiver geworden.“Adler-Topscorer Chad Kolarik pflichtet bei: „Pavel Gross und sein Team pushen uns viel härter, als das in der vergangene­n Saison der Fall war.“2,23 Punkte je Hauptrunde­nbegegnung kommen nicht von nichts.

2,23 Punkte je Hauptrunde­nbegegnung haben aber auch ganz viel damit zu tun, dass Pavel Gross ein ausgewiese­n gewiefter Taktiker, ein brillanter Analytiker ist. Sein Coaching gilt mit als das beste der Liga, akribisch seine Spielvorbe­reitung, jegliches Detail spricht er nach exzessivem Videostudi­um an. Viertelfin­algegner Nürnberg Ice Tigers hat er in Pre-Play-off-Duell zwei mit Bremerhave­n am Freitag noch einmal live beobachtet, weil „Play-offs etwas anderes“sind als die vier direkten Saison-Aufeinande­rtreffen um Punkte: „Vielleicht entdecken wir die eine oder andere Kleinigkei­t.“

Zu Pellegrims blindes Vertrauen

„Wir“, das sind Pavel Gross und die Co-Trainer Pertti Hasanen und Mike Pellegrims. Als Spielerent­wickler genießt der 64-jährige Finne einen feinen Ruf, DEL-erprobt ist der 50-jährige Belgier. Mehr als das: Mike Pellegrims erlebte die Mannheimer Titel in den späten Neunzigern hinter Pavel Gross auf dem Eis. Pfeilschne­ller Verteidige­r war er – und als solcher ein Freund des intelligen­ten Passes (des unbelgisch kernigen Schlagschu­sses auch). Merke: „Pavel und ich hatten schon als Aktive das gleiche Gefühl fürs Spiel. Wir mögen modernes, attraktive­s, aggressive­s Hockey.“Ein Faible, das sechs gemeinsame Jahre als Trainer-/Co-Trainer-Gespann in Wolfsburg erfolgreic­h machte, das nach Mike Pellegrims’ Soli beim Klagenfurt­er AC und der Düsseldorf­er EG erneut verband. Pavel Gross: „Jeder von uns weiß, wie der andere tickt, da gibt es ein blindes Vertrauen.“

Die Telefonzel­le steht offen. Ein Winter Arbeit will belohnt sein. Pavel Gross ist bereit. Punktgenau.

DEL-Viertelfin­ale (Best of Seven): Augsburger Panther – Düsseldorf­er EG, Kölner Haie – ERC Ingolstadt (1. Spiel jeweils Di., 19.30 Uhr), Adler Mannheim – Nürnberg Ice Tigers, EHC RB München – Eisbären Berlin (1. Spiel jeweils Mi., 19.30 Uhr).

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FOTO: DPA Wollen auch in den Play-offs als Einheit mit Gewinnerme­ntalität auftreten: Trainer Pavel Gross (hinten Mitte) und die Spieler des DEL-Hauptrunde­nsiegers Adler Mannheim.

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