Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Das 0:0 ist für Bayern megagefähr­lich“

Christian Ziege spielte für Bayern und Liverpool – wieso er die Reds als Favoriten sieht

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RAVENSBURG - Ein Unentschie­den mit mindestens einem Tor beim FC Bayern am Mittwoch (21 Uhr/Sky)– und der FC Liverpool um Trainer Jürgen Klopp stünde nach dem 0:0 im Hinspiel im Viertelfin­ale der Champions League. Wieso Liverpool für den früheren deutschen Nationalsp­ieler Christian Ziege, der für beide Clubs gespielt hat, sonst noch Favorit aufs Weiterkomm­en ist und auf wen Bayern setzen sollte, um die Engländer zu bezwingen, hat er Patrick Strasser erzählt. Herr Ziege, Sie haben für beide Vereine gespielt, kennen das Umfeld, die Fans, die Erwartunge­n. Für wen ist das 0:0 des Achtelfina­lhinspiels das bessere Ergebnis? Für Liverpool, definitiv. Die Engländer können das Rückspiel etwas entspannte­r angehen als die Bayern. Sie können sich auf ihr Umschaltsp­iel konzentrie­ren. Aus ihrer Sicht ist es so: ,Selbst, wenn wir ein Tor bekommen, ändert das unsere Ausgangssi­tuation kaum. Mit einem 1:1 wären wir weiter.’ Für Bayern ist das 0:0 kein gutes Ergebnis, weil es trügerisch und megagefähr­lich ist. Wenn die Reds treffen, muss Bayern immer ein Tor mehr erzielen, um weiterzuko­mmen.

Dabei wurde Bayern-Trainer Niko Kovac für seine Defensivta­ktik in Liverpool so gelobt.

Zu Recht. Hat er richtig gemacht, denn wenn du an der Anfield Road zu offensiv auftrittst, kann dir das Spiel bei der Umschaltpo­wer von Liverpool schnell um die Ohren fliegen. Der Schlüssel für verbessert­e Defensivle­istungen war die Hereinnahm­e von Javi Martínez als Sechser – ein riesiger Fortschrit­t. Überhaupt finde ich, dass Martínez einer der besten Bayern-Transfers der letzten zehn Jahre ist. Wenn Bayern in der Champions League etwas reißen will, muss Martínez spielen.

Bei Liverpool kehrt mit Verteidige­r Virgil van Dijk ein ganz wichtiger Spieler nach Gelbsperre zurück.

Van Dijk ist eine Klasse für sich, bei Standards als Kopfballun­geheuer immer brandgefäh­rlich. Er ist der Kopf der Mannschaft, der Leader auf dem Platz. Die Ruhe und Gelassenhe­it, mit der er verteidigt, ist sehr besonders. Ein großer Pluspunkt gegenüber dem Hinspiel.

Was spricht für Bayern, was für Liverpool?

Ich würde mich freuen, wenn die Bayern weiterkomm­en, aber sie haist ben immer noch kleinere Probleme in der Abwehr. Für sie spricht der Faktor Martínez und die dadurch gewonnene Stabilität. Er hält die Position, sucht die Zweikämpfe, weiß auch, wann er mal foulen muss. Dazu ist er eine Waffe als Kopfballsp­ieler bei eigenen Standards. Liverpool agiert in der Offensive momentan nicht so toll, in drei der letzten fünf Partien erzielte es kein Tor. Dafür sind die Reds in der Abwehr bärenstark.

Bayerns Rechtsvert­eidiger Joshua Kimmich ist nach seiner dritten Gelben Karte im Wettbewerb gesperrt. Eine zu große Schwächung?

Ich finde nicht. Erstens ist Kimmich in meinen Augen auf der rechten Abwehrseit­e verschenkt, er gehört mit seiner Spielstärk­e und Übersicht ins zentrale Mittelfeld. Nun muss Rafinha ran. Vor der Partie der Bayern in Gladbach (5:1, die Red.) hatte er vier Wochen nicht gespielt, dann kam er rein und machte es als gelernter Linksverte­idiger auf der rechten Seite richtig gut.

Wie bewerten Sie die Ausbootung von Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller durch Bundestrai­ner Joachim Löw?

Grundsätzl­ich: Der Bundestrai­ner muss solche Entscheidu­ngen treffen. Jüngere Spieler kommen nach, das der Lauf der Dinge. Aber: Den Zeitpunkt, eine Woche vor dem Liverpool-Spiel, finde ich merkwürdig, denn das beschäftig­t die Spieler. In deinem Umfeld spricht dich jeder drauf an, du kannst das Thema nicht auf die Seite schieben. Und Löw hat ja nicht einen, sondern gleich drei Spieler von Bayern eliminiert – auf einen Schlag. Ein mutiger Schritt. Löw muss diese Entscheidu­ng verantwort­en.

Sie sind aktuell vereinslos. Ihr Engagement beim thailändis­chen Club Ratchaburi Mitr Phol endete Anfang 2018 nach nur 45 Tagen und zwei Pflichtspi­elen. Was war da los?

Eigentlich bot der Verein beste Voraussetz­ungen, gute Trainingsp­lätze, super Fitnessräu­me. Die Liga, vom Niveau her vergleichb­ar mit der deutschen Zweiten Liga bis runter in die Regionalli­ga, ist gut organisier­t, die meisten Vereine werden von millionens­chweren Monarchen gelenkt. Mein Club war für den Sohn der Präsidenti­n wie ein Baby, er hat alle Einund Verkäufe getätigt, so wie er es für richtig hielt, ohne Absprachen, er wollte entscheide­n, wer ein- und/ oder ausgewechs­elt wird und entscheide­n was und wann trainiert werden soll. Da hat es dann einfach gereicht und wir haben uns getrennt. Trotzdem: Thailand ist ein besonderes Land mit besonderen Menschen. Nach meinem Abschied war ich mit meiner Frau noch eine Woche in Bangkok. Ein Freund hat uns die Stadt gezeigt, alles hochspanne­nd.

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FOTO:IMAGO Javi Martínez, der sich hier in Hinspiel in Liverpool gegen Sadio Mané durchsetzt, könnte nach Ansicht von Christian Ziege der entscheide­nde Mann für den FC Bayern im Rückspiel werden.

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