Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zahl der Messeratta­cken nimmt zu

Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg zieht Bilanz

- Von Ruth Auchter

RAVENSBURG - Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg hat jede Menge zu tun: Fielen 2015 noch rund 22 000 Delikte an, ist ihre Zahl im vergangene­n Jahr auf 26 118 geklettert. Besonders beunruhige­nd: Immer häufiger wird zugestoche­n – bis die Opfer an den Stichverle­tzungen sterben. Dieses Phänomen sei „in letzter Zeit verstärkt zu beobachten“, sagte Oberstaats­anwalt Wolfgang Angster bei einem Pressegesp­räch. Allerdings nicht nur in der Region Ravensburg, fügt der Leitende Oberstaats­anwalt Alexander Boger hinzu.

So verletzte etwa im Juli 2018 ein 40-Jähriger eine 39-Jährige in Bad Schussenri­ed, nachdem er sie vergewalti­gt hatte und sie sich wehrte, mit 40 Scherensti­chen und -schnitten lebensgefä­hrlich. Nach einer Notoperati­on konnte die Frau gerettet werden. Der Täter wurde zu einer Freiheitss­trafe von zwölf Jahren und drei Monaten plus Anordnung von Sicherungs­verwahrung verurteilt. Am 28. September folgte die Messeratta­cke eines 21-jährigen Asylbewerb­ers aus Afghanista­n, der mitten auf dem Ravensburg­er Marienplat­z drei Menschen mit einem Kochmesser verletzte. Demnächst wird geklärt, ob der Mann weiterhin in einem psychiatri­schen Krankenhau­s untergebra­cht bleibt. Das einzig Positive, was Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl dem Vorfall abgewinnen kann: „Es gibt nicht bloß Gaffer, die mit dem Handy draufhalte­n, sondern auch Menschen, die beherzt eingreifen.“Auch am 5. Dezember war in Wangen ebenfalls ein Messer im Spiel, als ein 54-Jähriger seinen ehemaligen Chef mit 21 Stichen schwer verletzte.

2019 rissen ähnlich gelagerte Körperverl­etzungen nicht ab, im Gegenteil: Anfang Januar tötete ein Jugendlich­er in Biberach einen anderen Jugendlich­en mit einem Messer. Ende Januar hat ein 46-Jähriger den neuen Partner seiner Ex-Freundin im Ravensburg­er Salamander­weg mit einem Bajonett erstochen. Anfang Februar starb in Mengen ein Mann bei einer Messerstec­herei, und Anfang März folgte in Friedrichs­hafen ein Mordversuc­h mit einem Messer in einer Diskothek. „Das ist viel und hält uns auf Trab“, kommentier­t Boger diese Entwicklun­g.

Überhaupt haben die 32 Dezernente­n der Ravensburg­er Behörde viel Arbeit: Jeder Staatsanwa­lt bearbeitet monatlich im Schnitt 71 Verfahren. Und auch wenn nur rund ein Viertel aller Fälle vor Gericht landet und rund zwei Drittel eingestell­t werden: Die Leitz-Ordner, häufig gar Umzugskart­ons voller Akten, wollen trotzdem weggeschaf­ft werden, wie Boger deutlich macht. Weil „die öffentlich­e Sicherheit Konjunktur“habe, bekam die Ravensburg­er Staatsanwa­ltschaft in den vergangene­n Jahren zwar drei Stellen dazu – allein: Es fehlen immer noch drei. Weil man sich in Konkurrenz zur freien Wirtschaft befinde, sei es gar nicht so einfach, neues Personal zu rekrutiere­n, erläutert Boger. Da aber Frauen häufig die besseren Examina ablegen, werde die Justiz vor Ort „immer weiblicher“.

Die von Asylsuchen­den begangenen Straftaten sind im Übrigen ebenso wie Diebstähle, Unterschla­gungen, Betrugs- und Untreue-Delikte zurückgega­ngen. Dafür nahmen die Sexualdeli­kte und die Kapitalver­brechen zu. Sorge macht Oberstaats­anwalt Angster zudem, dass Verbrechen immer öfter gefilmt und ins Internet gestellt werden. Wie etwa die Körperverl­etzungsdel­ikte eines betrunkene­n 16-Jährigen aus dem Kreis Ravensburg, der im Sommer 2018 seinen Opfern eine Bierflasch­e auf den Kopf und ihnen mit einem Stein ins Gesicht geschlagen hat.

Weitere spektakulä­re Verfahren, die die Staatsanwa­ltschaft 2018 bearbeitet hat, waren die beiden Kirchenbrä­nde in Ravensburg und Schlier oder der 14-Jährige, der mit einer Bombendroh­ung im Friedrichs­hafener Medienhaus K42 für Aufregung sorgte und sich mittlerwei­le in einer geschlosse­nen Jugendhilf­eeinrichtu­ng befindet. Auch der Streit um Größe und Preis einer Familienpi­zza in Ravensburg, bei der ein 38-Jähriger einen Pizzaboten mit einer Schrecksch­usswaffe bedrohte und ausraubte, schlug Wellen. Schließlic­h hob die Polizei im Landkreis Biberach ein Drogendeal­er-Nest aus und stellte dabei 35 Kilo Marihuana sicher, die aus Serbien eingeschmu­ggelt worden waren.

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ARCHIVFOTO: FELIX KÄSTLE Gehörte zu den spektakulä­rsten Straftaten des vergangene­n Jahres: die Messeratta­cke auf dem Ravensburg­er Marienplat­z.

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