Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Haus der Kunst wurde seine größte Herausford­erung

Okwui Enwezor ist im Alter von 55 Jahren gestorben

- Von Britta Schultejan­s und Katharina Redanz

MÜNCHEN (dpa) - Sieben Jahre lang stand Okwui Enwezor an der Spitze des renommiert­en Hauses der Kunst in München. Sein Abschied im vergangene­n Jahr war bitter. Jetzt ist der Nigerianer im Alter von 55 Jahren gestorben.

Okwui Enwezor hat seine Spuren hinterlass­en am Haus der Kunst in München. Die Ausstellun­g der monumental­en und bunten Skulpturen des ghanaische­n Bildhauers El Anatsui, die dort zurzeit zu sehen sind, hat er als Kurator noch geplant. Sie ist nun sein Abschiedsg­eschenk an München. Wenige Tage nach der Eröffnung ist der frühere künstleris­che Leiter des Hauses am Freitagmor­gen in einem Münchner Krankenhau­s gestorben. Er wurde nur 55 Jahre alt. Kurz nach seinem Abschied im vergangene­n Sommer hatte er seine Krebserkra­nkung öffentlich gemacht.

Als der politisch engagierte, gebürtige Nigerianer 2011 als Nachfolger von Chris Dercon an die Spitze des Hauses kam, war er in der deutschen Kunstszene schon lange kein Unbekannte­r mehr. 2002 hatte er die documenta in Kassel geleitet, als erster Nicht-Europäer überhaupt.

Mit 19 Jahren hatte der Sohn eines Bauunterne­hmers seine Heimat Nigeria in Richtung New York verlassen. Dort studierte er Literatur und Politikwis­senschaft und machte sich zunächst als Dichter, Literaturk­ritiker und Essayist einen Namen.

In München gemacht, für die Welt gedacht – das wurde sein Motto als Museumsche­f. Enwezor stand für internatio­nale Kooperatio­nen und globale Themen. Er warb außerdem für einen unverkramp­ften Umgang mit der historisch belasteten Institutio­n, die von Adolf Hitler persönlich im Jahr 1937 als „Haus der deutschen Kunst“eröffnet wurde.

Für internatio­nales Aufsehen sorgte seine Ausstellun­g „Postwar“, die die ersten 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg anhand von Kunstwerke­n darstellte. Als Enwezor 2014 mit dem Bundesverd­ienstkreuz ausgezeich­net wurde, nannte der damalige Bundespräs­ident Joachim Gauck ihn einen der „herausrage­nden Kuratoren in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d“.

Doch der Wind drehte sich. Zum Schluss wurde zunehmend Kritik an seiner Arbeit laut. „Es gibt nie den idealen Zeitpunkt für einen Abschied, aber ich trete zu einem Zeitpunkt zurück, an dem das Haus der Kunst eine künstleris­che Position der Stärke erreicht hat“, sagte er zum Abschied im vergangene­n Jahr. Das Haus hatte damals turbulente Zeiten hinter sich. Massive Geldproble­me wurden bekannt, die Nähe von Angestellt­en zu Scientolog­y und Fälle sexueller Belästigun­g sorgten für Schlagzeil­en.

So hatte dieser Abschied einen bitteren Nachgeschm­ack. Im „Spiegel“sprach Enwezor von einer „Beleidigun­g“und sagte, er habe den Eindruck, „nicht mehr erwünscht“gewesen zu sein.

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FOTO: DPA Okwui Enwezor, damaliger Direktor des Hauses der Kunst, im Jahr 2013. Gegen Ende seiner Amtszeit war er in München umstritten.

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