Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zähe Verhandlun­gen um Brexit-Verschiebu­ng

EU bietet London beim Gipfel in Brüssel zwei Optionen an

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Der EU-Gipfel will Großbritan­nien zwei Möglichkei­ten für eine kurze Verschiebu­ng des Brexit anbieten. Falls das britische Unterhaus kommende Woche das Austrittsa­bkommen annehme, werde der Brexit-Termin auf den 22. Mai verlegt, hieß es aus dem Umfeld von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag­abend in Brüssel. Andernfall­s habe London noch bis zum 12. April Zeit - nach Angaben aus EU-Kreisen, um Europawahl­en zu organisier­en und eine längere Verschiebu­ng bis Ende 2019 zu beantragen. Die Alternativ­e wäre ein ungeordnet­er Austritt.

EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk erklärte auf Twitter, die 27 EU-Staaten außer Großbritan­nien hätten sich „einstimmig auf ihre Antwort“zu den Anträgen der britischen Seite geeinigt. Er werde nun Premiermin­isterin Theresa May treffen.

Die Politiker würden gern mit einer zukunftsfr­ohen Botschaft in die Kampagne starten. Das lästige Brexit-Thema möchten sie so schnell wie möglich loswerden, haben Theresa May aber einen letzten Aufschub vorgeschla­gen – bis zum 22. Mai, dem Vorabend der Wahl. Bedingung soll sein, dass das britische Unterhaus nächste Woche im dritten Anlauf den Austrittsv­ertrag billigt. Geschieht das nicht, wird es wohl einen Krisengipf­el geben – einen Tag vor dem von allen gefürchtet­en harten Brexit.

Obwohl Brüssel seine ausländisc­hen Gäste mit wolkenlose­m Frühlingsw­etter empfing, war die Stimmung ernst. Theresa May hatte am Vortag schriftlic­h um eine dreimonati­ge Verschiebu­ng des britischen Austrittsd­atums auf den 30. Juni gebeten. Viele Staats- und Regierungs-chefs machten schon bei der Ankunft im Gipfelgebä­ude klar, dass sie May zwar gern aus der Klemme helfen möchten – aber nicht um den Preis, dass die Wahlen nochmals mit britischer Beteiligun­g stattfinde­n oder wegen Unregelmäß­igkeiten gar wiederholt werden müssen. stehen. Die Zeit des Hoffens und Bangens, dass die Briten ihre Meinung vielleicht doch noch ändern könnten, scheint endgültig vorbei. Die EU wünscht sich nichts sehnlicher, als sich endlich wieder anderen Geschäften zuwenden zu können. Dabei richtet sich der Ärger nicht gegen May, die für ihre verzweifel­ten Versuche, einen harten Brexit abzuwenden, eher Respekt von ihren Kollegen erntet. Die Verantwort­ung für das Desaster liegt nach mehrheitli­cher Überzeugun­g beim chaotische­n Unterhaus, das parteipoli­tische Spielchen über das Wohl der Bevölkerun­g stellt.

Entspreche­nd schlecht kam am Vormittag der Blitzbesuc­h des Labour-Opposition­sführers Jeremy Corbyn in Brüssel an. Der einzige, der dem Dauerdrama etwas Positives abgewinnen kann, ist Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Mit beschwingt­em Schritt durchmaß er am Donnerstag den Eingangsbe­reich des Ratsgebäud­es und schwärmte vom Frühling. Natürlich respektier­e man den Willen des britischen Volkes, versichert­e er. „Aber es ist auch unsere Aufgabe, die Rechte unserer Landsleute zu wahren.“Frankreich sei bereit – auch für einen ungeregelt­en Brexit. Für geschädigt­e Unternehme­r und Fischer werde es staatliche Unterstütz­ung geben.

Manfred Weber äußerte sich so staatstrag­end, als säße er schon auf auf dem Chefsessel: „Es sind nicht länger die britischen Bürger, für die ich zu sorgen habe. Deshalb stehen sie in der Zukunft alleine da. Ich bedaure das zutiefst, aber ich habe die Aufgabe, 400 Millionen Europäer zu schützen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Runder Tisch in Brüssel: Die Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union beraten ohne Theresa May über den eigentlich schon für den 29. März geplanten Austritt Großbritan­niens.
FOTO: DPA Runder Tisch in Brüssel: Die Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union beraten ohne Theresa May über den eigentlich schon für den 29. März geplanten Austritt Großbritan­niens.

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