Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Das Konzept Parlamentsarmee ist besser als sein Ruf
Mehr als drei Stunden Debatte, vier namentliche Abstimmungen und Hunderte Seiten Beschlussvorlagen: Die Abgeordneten des Bundestags haben sich – mal wieder – ausführlich mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr befasst.
Die Missionen in Afghanistan, in Sudan und Südsudan sowie im Mittelmeer laufen jeweils schon seit Jahren, bleiben in wesentlichen Punkten unverändert und mussten eigentlich nur verlängert werden. Dennoch verursachten sie im Parlament einen Haufen Arbeit: Erste Lesung, Beratungen, Anhörungen, Expertengespräche, Schlussabstimmung. Ohne die Zustimmung der Abgeordneten darf kein bewaffneter deutscher Soldat in einen Einsatz geschickt werden. Das ist langwierig.
Das kritisieren viele, vor allem mit Blick auf die Pläne für schnelle und schlagkräftige Einheiten, an denen sich die Bundeswehr sowohl im Nato-Rahmen als auch unter EUFlagge beteiligen soll. Vernetzung und Integration heißen die Zauberwörter, die es den europäischen Armeen trotz begrenzter Mittel ermöglichen sollen, international mitzumischen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist dafür sogar bereit, die strengen deutschen Rüstungsexportrichtlinien ein wenig zu lockern.
Nicht angetastet werden soll dagegen der deutsche Parlamentsvorbehalt – und das ist auch gut so: Denn der ist besser als sein Ruf. Viele Verbündete, aber auch Sicherheitspolitiker hierzulande sehen ihn vor allem als Problem. Wenn Deutschland stets seine über 700 Abgeordneten fragen müsse, könne von Krisenreaktionsfähigkeit keine Rede sein: Die Balten brauchen rasch Verstärkung an der Grenze? Moment, wir warten noch auf einen Abstimmungstermin. Merkel sagt Beteiligung am Hilfseinsatz in Afrika zu? Wartet, der Auswärtige Ausschuss hat noch eine Nachfrage.
Es kann auch schnell gehen
Doch so läuft es eben nicht. Selbst oberste Militärs wie Generalinspekteur Eberhard Zorn betonen, das nötige Votum „nie als Hemmschuh für eine Entscheidung“erlebt zu haben. Wenn es schnell gehen muss, dann geht es auch notfalls binnen eines Tages. Allerdings könnte es sein, dass die Zersplitterung der Parteienlandschaft diesen gut geölten Mechanismus mittelfristig aus dem Rhythmus bringt.
Politisch hat der Parlamentsvorbehalt gleich mehrere Vorteile: Er hält das ungeliebte Thema Militäreinsätze, um das sich die deutsche Öffentlichkeit gerne herumdrückt, im Zentrum der Debatte. Er sorgt dafür, dass bei der Entscheidung über Leben und Tod ein breiter Konsens hergestellt werden muss. Und er zwingt die Fraktionen zu einer Positionierung und verhindert, dass eine unangenehme Entscheidung einfach „der Regierung“zugeschoben werden kann.
Einen Grundsatzauftrag muss die deutsche Politik dennoch dringend erfüllen und klären, was genau wir eigentlich mit all den vernetzten Truppen in der Welt wollen. Für diese Debatte kann sich der Bundestag dann auch ruhig ein paar Tage länger Zeit nehmen.