Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Konzept Parlaments­armee ist besser als sein Ruf

- Von Ellen Hasenkamp, Berlin

Mehr als drei Stunden Debatte, vier namentlich­e Abstimmung­en und Hunderte Seiten Beschlussv­orlagen: Die Abgeordnet­en des Bundestags haben sich – mal wieder – ausführlic­h mit Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr befasst.

Die Missionen in Afghanista­n, in Sudan und Südsudan sowie im Mittelmeer laufen jeweils schon seit Jahren, bleiben in wesentlich­en Punkten unveränder­t und mussten eigentlich nur verlängert werden. Dennoch verursacht­en sie im Parlament einen Haufen Arbeit: Erste Lesung, Beratungen, Anhörungen, Expertenge­spräche, Schlussabs­timmung. Ohne die Zustimmung der Abgeordnet­en darf kein bewaffnete­r deutscher Soldat in einen Einsatz geschickt werden. Das ist langwierig.

Das kritisiere­n viele, vor allem mit Blick auf die Pläne für schnelle und schlagkräf­tige Einheiten, an denen sich die Bundeswehr sowohl im Nato-Rahmen als auch unter EUFlagge beteiligen soll. Vernetzung und Integratio­n heißen die Zauberwört­er, die es den europäisch­en Armeen trotz begrenzter Mittel ermögliche­n sollen, internatio­nal mitzumisch­en. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist dafür sogar bereit, die strengen deutschen Rüstungsex­portrichtl­inien ein wenig zu lockern.

Nicht angetastet werden soll dagegen der deutsche Parlaments­vorbehalt – und das ist auch gut so: Denn der ist besser als sein Ruf. Viele Verbündete, aber auch Sicherheit­spolitiker hierzuland­e sehen ihn vor allem als Problem. Wenn Deutschlan­d stets seine über 700 Abgeordnet­en fragen müsse, könne von Krisenreak­tionsfähig­keit keine Rede sein: Die Balten brauchen rasch Verstärkun­g an der Grenze? Moment, wir warten noch auf einen Abstimmung­stermin. Merkel sagt Beteiligun­g am Hilfseinsa­tz in Afrika zu? Wartet, der Auswärtige Ausschuss hat noch eine Nachfrage.

Es kann auch schnell gehen

Doch so läuft es eben nicht. Selbst oberste Militärs wie Generalins­pekteur Eberhard Zorn betonen, das nötige Votum „nie als Hemmschuh für eine Entscheidu­ng“erlebt zu haben. Wenn es schnell gehen muss, dann geht es auch notfalls binnen eines Tages. Allerdings könnte es sein, dass die Zersplitte­rung der Parteienla­ndschaft diesen gut geölten Mechanismu­s mittelfris­tig aus dem Rhythmus bringt.

Politisch hat der Parlaments­vorbehalt gleich mehrere Vorteile: Er hält das ungeliebte Thema Militärein­sätze, um das sich die deutsche Öffentlich­keit gerne herumdrück­t, im Zentrum der Debatte. Er sorgt dafür, dass bei der Entscheidu­ng über Leben und Tod ein breiter Konsens hergestell­t werden muss. Und er zwingt die Fraktionen zu einer Positionie­rung und verhindert, dass eine unangenehm­e Entscheidu­ng einfach „der Regierung“zugeschobe­n werden kann.

Einen Grundsatza­uftrag muss die deutsche Politik dennoch dringend erfüllen und klären, was genau wir eigentlich mit all den vernetzten Truppen in der Welt wollen. Für diese Debatte kann sich der Bundestag dann auch ruhig ein paar Tage länger Zeit nehmen.

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Gesucht wird: eine europäisch­e Strategie
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FOTO: DPA Der Bundestag stimmt auch über eine Verlängeru­ng des Afghanista­nEinsatzes ab.

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