Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nur vermiedene­r Müll ist guter Müll

- Von Caroline Messick ●» c.messick@schwaebisc­he.de

Nirgendwo in Europa wird der Müll so konsequent getrennt wie in Deutschlan­d. Laut einer Auswertung des Hamburgisc­hen Weltwirtsc­haftsinsti­tuts bringt jeder Deutsche jährlich rund 415 Kilogramm Wertstoffe in den Recyclingk­reislauf ein. Mehr als 99 Prozent der Kunststoff­abfälle werden wiederverw­ertet. Außerdem produziere­n wir so wenig Haushaltsa­bfälle, dass wir auch beim Restmüll-Ranking zu den Besten gehören. Alles in allem klingt das ziemlich preisverdä­chtig.

Ein genauerer Blick auf die positiven Zahlen zeigt jedoch anderes. Denn mehr als die Hälfte der genannten 99 Prozent werden energetisc­h wiederverw­ertet, also verbrannt. Ein zweites Leben als Polyesterp­ulli oder Parkbank bleibt dem Müll verwehrt. Bis zum verhängten Importverb­ot verschifft­e Deutschlan­d als einer der weltweit größten Müllexport­eure riesige Mengen an Plastikabf­all nach China – 2016 waren das rund 850 Tausend Tonnen. Das Perfide daran: Diese Exporte werden in der deutschen Statistik als vollständi­g recycelt verbucht.

Ein anderes Problem sind die Müllstrude­l in den Ozeanen. Über die Flüsse gelangt Plastikabf­all vor allem aus Asien und Afrika ins Meer, wo Wale, Fische und Vögel den Müll auffressen. Auch wenn Deutschlan­d und Europa nicht zu den Hauptverur­sachern gehören, ist es richtig, dass die westliche Welt mit gutem Beispiel vorangeht. Im Herbst hat die Europäisch­e Union Einweg-Plastikart­ikel verboten. In Deutschlan­d gilt seit Januar ein neues Verpackung­sgesetz mit strikteren Recyclingv­orgaben. Selbst der Lebensmitt­eldiscount­er Aldi hat nun eine Maßnahme mit Symbolkraf­t angekündig­t: Von April an gibt es die Salatgurke nur noch ohne Plastikhül­le.

Doch reicht das aus? Ein Blick in die eigene Tonne gibt Aufschluss: Habe ich die hart gewordene Käsescheib­e im Biomüll entsorgt oder hängt die jetzt mit Verpackung im Plastikmül­lsack? Steht eine Tasse Filterkaff­ee auf meinem Schreibtis­ch oder findet sich im Mülleimer darunter ein Coffee-to-go-Becher? Klar ist: Wir müssen bei uns selbst anfangen. Und klar ist auch: Nachhaltig wiederverw­erteter Müll ist gut, vermiedene­r Müll ist besser.

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