Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Trumps Wahlkampfg­eschenk an Netanjahu

US-Präsident erkennt Israels Souveränit­ät über die Golanhöhen an – und hilft dem Premier in schwierige­r Lage

- Von Inge Günther

JERUSALEM - Die Israelis lieben die Golanhöhen, eines ihr beliebtest­en Ausflugszi­ele. In Heerschare­n lockt sie das im Sechstagek­rieg 1967 von Syrien eroberte und später annektiert­e Gebirgspla­teau im Winter an, um sich im Schnee zu tummeln und im Rest des Jahres freie Natur hoch über dem See Genezareth zu genießen. Entspreche­nd groß fiel die Begeisteru­ng aus, als Donald Trump Donnerstag­abend per Twitter ankündigte, Israels Souveränit­ät über den Golan anerkennen zu wollen. Auf Partys, auf denen just zu diesem Zeitpunkt Purim-Partys in Erinnerung an die wundersame Rettung des jüdischen Volkes in persischer Diaspora gefeiert wurde, knallten die Sektkorken. Ganz besonders stieg die Laune im Hause des israelisch­en Premiers, wo in letzten Tagen düstere Wolken angesichts sinkender Popularitä­tswerte aufgezogen waren. „Ein Purim-Wunder“, jubelte denn auch Benjamin Netanjahu.

Profaner ausgedrück­t ist Trumps Golan-Entscheidu­ng vor allem eines, auch wenn er es in Fox-News dementiert­e: ein Wahlkampfg­eschenk für Netanjahu, dessen Wiederwahl am 9. April alles andere als eine ausgemacht­e Sache ist.

Gerade in dieser Woche hat Benny Gantz, ehemals Generalsta­bschef und nun Spitzenkan­didat des MitteLinks-Bündnisses „Blau-Weiß“(hebräisch Kahol-Lavan), ihn in Umfragen erneut überholt. Der frische Verdacht, Netanjahu habe auf den Kauf eines sechsten U-Boots von ThyssenKru­pp bestanden, das die Armee nicht wollte, weil er mit einer Partnerfir­ma vier Millionen Euro Aktiengewi­nn machte, hat den Premier in schweres Fahrwasser gebracht. Der Trumpsche Golan-Vorstoß könnte das Blatt wieder wenden, so internatio­nal umstritten er ist. Selbst Jair Lapid von der Zukunftspa­rtei, die zur Blau-Weiß-Truppe zählt, attestiert­e: „Ein Traum wird wahr“.

Die Golanhöhen niemals hergeben zu wollen, propagiert schließlic­h auch sein Wahlbündni­s, benannt nach den israelisch­en Nationalfa­rben.

Doch die Meriten dürfte Netanjahu einheimsen, dessen Team engste Beziehunge­n zum Weißen Haus pflegt. Trump und „Bibi“, wie die Israelis ihren Premier nennen, ziehen am gleichen Strang.

Besorgte Stimmen aus Europa

Nur gibt es internatio­nal jede Menge Einsprüche gegen den Versuch des US-Präsidente­n, die Golanhöhen eigenmächt­ig dem israelisch­en Staatsgebi­et zuzuschlag­en. Die von Israel 1981 deklariert­e Annexion dieses Gebiets ist in UN-Resolution­en als null und nichtig abgelehnt worden. Russische Diplomaten verwiesen bereits darauf, den Status des Golan könne allein ein Beschluss des Weltsicher­heitsrates abändern, nicht ein Tweet. Namhafte europäisch­e Stimmen äußerten derweil die Besorgnis, eine einseitige Deklaratio­n der USA werde die unstabile Lage in Nahost noch verschärfe­n. Die EU jedenfalls, erklärte deren Repräsenta­nt in Israel, ziehe da nicht mit. Auch der Generalsek­retär der Arabischen Liga pochte darauf, der Golan sei nach internatio­nalem Recht besetztes Gebiet.

Tatsächlic­h haben seit Beginn der neunziger Jahre alle israelisch­en Premiermin­ister, einschließ­lich Netanjahu, mit Damaskus über eine Rückgabe des Hochplatea­us im Gegenzug für ein Friedensab­kommen verhandelt. Mitunter schien ein Kompromiss greifbar nahe, scheiterte aber im Streit um teils wenige hundert Meter. Mit Beginn des syrischen Bürgerkrie­gs 2011 war damit Schluss. Seitdem allerdings sah sich Israel keinem internatio­nalen Druck ausgesetzt, den Golan zu räumen. Dort leben heute über 20 000 Israelis in verstreute­n, nach 1967 gebauten Siedlungen – sowie etwa gleich viele alteingese­ssene Drusen. Nicht nur der Westen zeigte bislang Verständni­s für Israels Bemühungen, die alte Waffenstil­lstandslin­ie massiv zu verstärken, um die Bewohner gegen ein Überspring­en syrischer Kriegsscha­rmützel zu schützen. Recht erfolgreic­h überzeugte Netanjahu ebenso den russischen Präsidente­n Wladimir Putin, ein Einnisten iranischer Milizen auf östlicher Seite dieser Linie zu verhindern.

 ?? FOTO: DPA ?? Eine israelisch­e Flagge vor dem Dorf Majdal Shams in den Golanhöhen. Seit 1967 herrscht Israel über das Gebiet an der Grenze zu Syrien.
FOTO: DPA Eine israelisch­e Flagge vor dem Dorf Majdal Shams in den Golanhöhen. Seit 1967 herrscht Israel über das Gebiet an der Grenze zu Syrien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany