Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein würdiger Nachfolger

Iffland-Ring geht an den deutschen Schauspiel­er Jens Harzer

- Von Matthias Röder

WIEN (dpa) - Seine Karriere stand anfangs auf der Kippe. Als 19-Jähriger wirkte Jens Harzer auf die Prüfungsko­mmission der Otto-Falckenber­gSchule zu sanft und zu zurückhalt­end. So beschrieb der „Spiegel“die kritische Situation. Dann nahm der Schauspiel­er Jörg Hube den jungen Mann aus Wiesbaden unter seine Fittiche und studierte mit ihm die Rolle des St. Just aus „Dantons Tod“. Es klappte – Harzer durfte die Schauspiel­schule besuchen. Knapp 30 Jahre später ist Harzer, Ensemblemi­tglied beim Hamburger Thalia Theater, auf dem Olymp des Schauspiel­erlebens angekommen: Er ist neuer Träger des Iffland-Rings. Das teilte Österreich­s Kulturmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) am Freitag mit.

Die auf Lebenszeit vergebene Auszeichnu­ng erhält der „bedeutends­te und würdigste Bühnenküns­tler des deutschspr­achigen Theaters“. Der im Februar gestorbene Schweizer Schauspiel­er Bruno Ganz, der den Iffland-Ring rund 23 Jahre trug, hatte Harzer zu seinem Nachfolger bestimmt. Einem breiten Publikum ist Harzer spätestens seit seiner Rolle als Arzt in der TV-Serie „Babylon Berlin“bekannt.

Schon früh mit Preisen geehrt

„Ich freue mich von ganzem Herzen für Jens Harzer“, sagte die Intendanti­n des Wiener Burgtheate­rs Karin Bergmann in einer ersten Reaktion. Sie erinnere sich an Rollen, die Harzer „taumelnd, sich verlierend, wütend und ratlos – ganz eigen, ganz unverwechs­elbar, ganz Harzer, zutiefst berührend und am Ende triumphal“verkörpert habe. „Ich wusste, dass Bruno Ganz eine vollkommen­e Wahl treffen wird, auch wenn ich mir den Iffland-Ring erstmals gut an einer Frauenhand hätte vorstellen können“, so Bergmann. Der Iffland-Ring wird voraussich­tlich noch vor dem Sommer auf der Bühne des Burgtheate­rs übergeben.

Erste Schauspiel-Erfahrunge­n sammelte der heute 47-Jährige unter anderem in der Theater-AG des Gymnasiums am Mosbacher Berg in Wiesbaden. Dort stand er als Josef K. in dem Stück „Der Prozess“nach einem Roman von Franz Kafka und als Leonce in „Leonce und Lena“von Georg Büchner auf der Bühne.

Noch vor Ende seiner Ausbildung in München wurde Harzer Ensemblemi­tglied bei den dortigen Kammerspie­len und galt Mitte der 1990erJahr­e als „aufregends­ter junger deutscher Schauspiel­er“. Mit 24 Jahren erhielt Harzer den bayerische­n Förderprei­s für junge Künstler und den Kunstpreis Berlin für Nachwuchss­chauspiele­r. Es folgten zahlreiche Engagement­s auf den Theaterbüh­nen und immer mehr Angebote, in Kino- und TV-Filmen mitzuspiel­en.

Harzer ist seit 2009 am Thalia Theater in Hamburg und stand in Österreich unter anderem bei den Salzburger Festspiele­n 2018 auf der Bühne. Die Kritiker würdigten seinen „eigentümli­ch traumverlo­renen Blick“, der an einen „romantisch­en Grübler“erinnere. Harzers Vorbild war Bruno Ganz. Bei dessen Beisetzung am Mittwoch in Zürich verlas Harzer die Trauerrede des Dramatiker­s Botho Strauß. In der Botho-Strauß-Inszenieru­ng „Ithaka“standen Harzer und Ganz gemeinsam auf der Bühne. Ganz als Odysseus, Harzer als sein Sohn.

Der Iffland-Ring wird bisher nur an Männer weitergege­ben. Diesen Umstand hatte jüngst das Fachmagazi­n „Theater heute“kritisiert. Der Preis solle endlich auch für Frauen geöffnet werden, forderte die Redaktion. Für Schauspiel­erinnen gibt es den weitaus weniger bekannten Alma-Seidler-Ring.

Ganz, der im Februar einer Krebserkra­nkung erlegen war, hatte den Ring einst vom österreich­ischen Schauspiel­er Josef Meinrad (19131996) zugesproch­en bekommen. Er soll zunächst seinen fast gleichaltr­igen Bühnenkoll­egen Gert Voss als Nachfolger bestimmt haben. Voss starb aber 2014. Zum Kreis der Kandidaten waren auch Schauspiel­er wie Martin Wuttke, Klaus Maria Brandauer, Joachim Meyerhoff und Ulrich Tukur gezählt worden.

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FOTO: IMAGO Jens Harzer als Caliban im Shakespear­e-Stück „Der Sturm“bei den Salzburger Festspiele­n.

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