Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schön auf dem Teppich bleiben!
Das Musical „Aladdin“feiert Premiere: Arabische Nächte in Stuttgart
STUTTGART - Das Musical „Aladdin“feiert Premiere in Stuttgart – und es ist genauso bunt, schrill und rasant wie man das erwartet. Sein Höhepunkt kommt sehr bald nach der Pause: Aladdin, maskiert als stinkreicher Prinz Ali, springt aus Jasmins Fenster. Die Prinzessin stößt einen erschreckten Schrei aus, doch Aladdin ist nicht abgestürzt. Er schwebt auf einem fliegenden Teppich, lädt die erstaunte Jasmin zu sich auf das magische Gefährt ein. Dann unternehmen die beiden eine Spritztour durch tausend funkelnde LED-Sterne, über wogende Ozeane und vorbei an einem vollen Mond. Das Publikum staunt, seufzt, Gänsehaut breitet sich in konzentrischen Kreisen im Saal aus. Ja, da ist sie plötzlich, die unvergleichliche Disney-Magie.
Es ist nicht der einzige magische Moment im farbenprächtigen, verschwenderisch ausstaffierten neuen Musical in Stuttgarts SI-Centrum; aber fraglos der schönste. Zuvor begleitete der voll besetzte Saal in der Vorpremiere den Straßenjungen Aladdin (rasant und verschmitzt gespielt von Philipp Büttner) auf seinen Streifzügen durch Agrabah, lernt seine Freunde und Feinde kennen, war beim ersten Treffen mit der leider etwas blass bleibenden Jasmin (Nienke Latten) dabei und summte gedanklich Ohrwürmer wie „Arabische Nächte“mit. 27 Jahre alt ist der Disney-Trickfilm, bestimmt waren viele im Saal damals als Kinder im Kino, kennen die Songs seit damals auswendig.
Altes Spiel von Gut und Böse
Heute erleben sie den schwäbischen Einstand dieses Musicals, das zuvor drei sehr erfolgreiche Jahre in Hamburg lief und in Stuttgart den doch eher ernsten, tragischen „Glöckner von Notre Dame“ablöst. Größer könnte der Unterschied kaum sein: Das Tempo, die Farben, der Humor … „Aladdin“gibt von Anfang an eine hohe Schlagzahl vor, die mitreißt und kaum Zeit zum Verschnaufen lässt. Die Kulissen sind opulent, die Technik dahinter gewitzt, die Farben entführen auf einen orientalischen Basar, bei dem man förmlich Zimt, Kardamom und Koriander riechen kann.
Natürlich ist die Handlung ebenso schwarz-weiß wie im Disney-Original. Aladdin, ein Trickser zwar, aber ein gutherziger, auf der einen Seite und Großwesir Dschafar als Erzbösewicht auf der anderen: Das alte Spiel von Gut und Böse wird auch auf der Bühne durchexerziert. Differenzierter geht es da schon in den Nebenrollen zu. Die Rolle des Jago, unterwürfiger Gehilfe Dschafars, reizt Eric Minsk mit Fistelstimme und Klamauk dennoch ein wenig zu sehr aus; andererseits übernimmt er die Rolle des nervtötenden Papageien aus der Filmvorlage, da ist Überzeichnung wohl essenzieller Vertragsbestandteil.
Und in noch etwas bleibt das turbulente Musical der Vorlage treu: Der Dschinni stiehlt allen die Schau! Insbesondere in der magisch glänzenden Schatzkammer trumpft Maximilian Mann mit demselben Irrsinn, derselben Schlagfertigkeit und demselben hohen Tempo auf, wie es auch Robin Williams tat.
Ob es die vielen bemüht zeitgeistigen Witze bräuchte, sei mal dahingestellt. Sie wirken so gewollt und erzwungen wie die schwäbischen Einsprengsel. Genial ist hingegen das explosive Medley, das Dschinni aus verschiedenen klassischen DisneySongs anstimmt: „Märchen schreibt die Zeit“oder „Farbenspiel des Winds“ertönen kurz, der Dschinni tanzt, steppt, wirbelt über die Bühne. Da kann man gar nicht wegsehen.
Am Ende wiegen die wenigen Kritikpunkte nicht schwer. „Aladdin“macht vieles richtig und schickt Stuttgart auf eine herrlich schrille Achterbahnfahrt, bei der niemand auf dem Teppich bleiben muss. Über 300 Kostüme sorgen für einen opulenten Musical-Spaß aus 1001 Nacht, der bei der Vorpremiere sogar mehr als einmal für Szenenapplaus sorgt. Und mit Jasmin ist eine starke, emanzipierte Prinzessin zu sehen, die 2019 mehr denn je zum Vorbild taugt.
Tickets gibt es unter: www.stage-entertainment.de oder unter Telefon 08105/4444