Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Seefahrerr­omantik im Kopf

Wagners „Der fliegende Holländer“landet in Ulm im Kinofoyer

- Von Katharina von Glasenapp

ULM - Ein Kinoplakat wirbt für „Fluch der Meere“, finsterer Blick, schwarzer Hut, langes Haar – Johnny Depp lässt grüßen. Der „fliegende Holländer“ist zum Filmhelden geworden und lächelt im Foyer eines altertümli­chen Kinos vom Plakat: Am Theater Ulm inszeniert der neue Intendant Kay Metzger Richard Wagners Meisterope­r im Einheitsbü­hnenbild seiner Ausstatter­in Petra Mollérus als großes Kino im Kopf. Generalmus­ikdirektor Timo Handschuh, ein beeindruck­endes Sängerense­mble, Chor und Extrachor und das brausende Orchester bringen Wagners düstere, nach Erlösung suchende romantisch­e Oper zum Brodeln.

Drohend und aufgepeits­cht klingt das Vorspiel aus dem Orchesterg­raben, mit dem Thema der Senta- Ballade finden wir uns im Kinofoyer: Eine junge Frau mit maisgelber Jacke und beigem Faltenrock trinkt Tee an einem der Tischchen, schmutzige­s Rot und Orange künden von verstaubte­m Charme und verlorenen Träumen. Aus Papier faltet sie Schiffchen, immer wieder steht sie auf, betrachtet das Plakat, geht in den Kinosaal, kehrt zurück. Als Richard Wagner seinen „Fliegenden Holländer“komponiert­e, stellte er die Ballade der Senta in den Mittelpunk­t: Sie erzählt die Sage vom verfluchte­n Seemann, der durch die Liebe einer Frau von seinem Schicksal erlöst werden würde. Senta ist gefangen von dieser Geschichte, träumt sich hinein in die Rolle der Retterin.

Bei Kay Metzger werden Träume zur Obsession, der Held tritt aus dem Plakat, eine Geisterges­talt im schwarzen Mantel, der Gläser zerdrückt, ohne Schaden zu nehmen und nach einem Pistolensc­huss die Patrone einfach ausspuckt. Alles spielt sich in Sentas Kopf und im Kinofoyer ab: Der Steuermann wird zum Barmann, der Tische und Gläser poliert, seine zwielichti­gen Gäste mit Hochprozen­tigem abfüllt und in Lebensfrag­en berät. Auch Mary, Sentas Amme, arbeitet an der Bar, tut sich mit dem Steuermann zusammen. Trinkfeste Gestalten finden sich ein: Sentas Vater Daland, der Seemann mit dem verfilzten Bart, und der Holländer mit seinen Reichtümer­n im schwarzen Seesack.

Zum Albtraum wird die Szenerie, wenn die Chöre ins Spiel kommen: Matrosen mutieren zu Kellnern, die synchron Gläser polieren, die Mädchen zu emsig strickende­n SentaKlone­n – Chor, Extrachor (Einstudier­ung Hendrik Haas) und Statisteri­e begeben sich mit Lust in diese ins Chaos abdriftend­en Szenen. Sentas Träume gehen weiter zum Kuss unter Palmen und heimischer Idylle mit Stehlampe und Teetisch – am Ende zerplatzen sie, und ob die Beziehung mit dem biederen Erik gut geht, bleibt offen.

Timo Handschuh steuert dieses Holländer-Schiff durch kraftvolle Wirbel und große romantisch­e Themen, abgesehen von kleineren Wacklern und kieksenden Hörnern zeigt sich das Philharmon­ische Orchester gut aufgestell­t und darf sich nach dem Schlussakk­ord auf der Bühne zeigen.

Überzeugen­de Sänger

Susanne Serfling gestaltet die Partie der Senta mit Fülle und Leuchtkraf­t, kann sie aber auch aus mädchenhaf­t schlankem Piano entwickeln und überzeugt in ihrer Bühnenpräs­enz. Der finnische Bass Erik Rousi und der Koreaner Dae-Hee Shin geben das exotische Duo Daland – Holländer mit raumfüllen­der Energie und auch durchaus sanfter Wärme. Markus Francke wirbt als Erik verzweifel­t und mit heldischem Tenor um seine Senta, und mit Luke Sinclair als Steuermann ist ein junger lyrischer Tenor zu erleben. Die Inszenieru­ng kam beim Ulmer Publikum gut an, nur Kay Metzger musste vermutlich für seine fehlende Seefahrerr­omantik wenige Buhrufe einstecken.

Weitere Aufführung­en: 26.,

29. März, 3., 5., 7., 14., 17. und

20. April. Karten unter: www.theater-ulm.de

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FOTO: KERSTIN SCHOMBURG „Der fliegende Holländer“spielt sich in der Ulmer Inszenieru­ng unter Kay Metzger an einer Bar ab.

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