Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Vermeidbare Katastrophe
Dutzende Tote und viele Verletzte nach Chemie-Explosion in China
YANCHENG (AFP/dpa) - Bei einem der schwersten Industrieunglücke in China sind mindestens 47 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 600 Menschen mussten nach der Explosion in einer Chemiefabrik in Yancheng in der östlichen Provinz Jiangsu medizinisch behandelt werden, wie die Behörden am Freitag mitteilten, mindestens 90 von ihnen wurden schwer verletzt.
Laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua war die Explosion in dem Chemiewerk in Yancheng am Donnerstag durch einen Brand in einem Düngemittelwerk auf dem Industriegelände ausgelöst worden. Durch die Druckwelle der Detonation stürzten mehrere Gebäude ein, Arbeiter wurden verschüttet. Drei Chemietanks und fünf weitere Gelände des Industrieparks gerieten in Brand, Einsatzkräfte kämpften die gesamte Nacht zum Freitag gegen einen Großbrand.
Chinesische Medien berichteten, die Detonation sei so stark gewesen, dass sie ein Erdbeben der Stärke 2,2 ausgelöst habe. Durch die Wucht der Explosion barsten Fensterscheiben von Gebäuden in bis zu vier Kilometern Entfernung, Metalltore von Garagen wurden eingedrückt. Nach Behördenangaben wurden rund 4000 Menschen vom Unglücksort in Sicherheit gebracht. Am Freitag war der Großbrand gelöscht, es war aber noch immer schwarzer Rauch über der Chemiefabrik zu sehen.
Anwohner äußerten Sorgen wegen Umweltverschmutzung durch das Industrieunglück: „Wir haben hier kein Trinkwasser“, sagte eine 60-Jährige namens Xiang. Sie habe sich seit Langem wegen der Sicherheit und der Verschmutzung in dem Industriepark gesorgt. Einem am Freitag veröffentlichten Bericht der Umweltbehörde von Jiangsu zufolge sind mehrere Flüsse in der Nähe des Unglücksorts mit Chemikalien verseucht.
Das Unglück erinnert an die bisher größte Katastrophe dieser Art in der nordostchinesischen Millionenmetropole Tianjin. Dort waren im August 2015 bei der Detonation eines Chemielagers im Hafen 173 Menschen getötet worden. Chinas Regierung hatte danach angekündigt, die Chemielager und Fabriken des Landes auf Sicherheitsrisiken prüfen zu wollen. Trotzdem kam es seitdem immer wieder zu schweren Unfällen; jedoch nicht in einem Ausmaß wie nun in Yancheng. Auch dieses Mal gibt es den Verdacht, dass Regeln missachtet wurden.
Die Firma Jiangsu Tianjiayi, der das Chemiewerk gehört, stellt nach Angaben von Staatsmedien hauptsächlich Pestizide her und beschäftigte 195 Menschen. Das Unternehmen hatte in der Vergangenheit immer wieder gegen Vorschriften verstoßen.
Firmenchef in Gewahrsam
Nach der Explosion am Donnerstag nahm die Polizei Firmenchef Zhang Qinyue und andere Manager in Gewahrsam. Laut Gerichtsunterlagen mussten Zhang Qinyue und andere Mitarbeiter bereits 2017 hohe Geldstrafen zahlen, weil die Firma Umweltauflagen nicht eingehalten hatte. Eine damals verhängte Haftstrafe gegen den Firmenchef, der sich bei dem Unglück am Donnerstag ebenfalls Verletzungen zugezogen hatte, wurde damals zur Bewährung ausgesetzt. Die staatliche Aufsicht für Arbeitssicherheit stellte in einem Bericht aus dem vergangenen Jahr zudem mindestens 13 Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften bei der Firma fest. Schlechter Brandschutz und unzureichende Sicherheitsschulung wurden bemängelt.
Chinas Präsident Xi Jinping forderte auf seiner Auslandsreise in Italien laut staatlicher Nachrichtenagentur Xinhua „umfassende Anstrengungen“, die Opfer zu suchen und zu retten. Zudem ordnete er für die Lokalregierungen des Landes an, aus der „harten Lektion“des erneuten Unfalls zu lernen und die Sicherheitsvorschriften zu verschärfen.