Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Eine „Ausnahme“nimmt Abschied

Hans Peter Müller-Angstenber­ger hört nach 17 Jahren beim TV Rottenburg auf

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ROTTENBURG (dpa) - Wenn Hans Peter Müller-Angstenber­ger an sein letztes Spiel mit dem TV Rottenburg denkt, dann packen den Volleyball­Trainer Fluchtgefü­hle. „Ich würde am liebsten wegfahren“, sagt der 46Jährige vor der Bundesliga-Heimpartie gegen den TSV Herrsching. Wenn er in der Tübinger Paul-Horn-Arena am Samstag (19 Uhr) seinen Abschied gibt, war er genau 17 Jahre Coach in seinem Geburtsort. „Ich bin froh, wenn der Tag rum ist. Da baut sich so eine Emotionali­tät auf, dass ich die Gefahr sehe, zu rührselig zu werden und vielleicht zu platzen.“In Tränen auflösen will er sich dann doch nicht.

Dabei kennen die TVR-Fans die Emotionen der Trainerleg­ende in Volleyball-Kreisen nur zu gut. Bei den Spielen hüpft er extroverti­ert an der Seitenlini­e entlang, reißt bei Punktgewin­nen die Arme hoch, schreit und ballt die Hände zu Fäusten. Oder er schlägt sie über dem Kopf zusammen, wenn der Gegner punktet. Er ist damit nicht nur schon lange „das Gesicht“des TVR, wie Manager Philipp Vollmer sagt, sondern in der Szene ein absoluter Typ. Vital Heynen, Trainer des VfB Friedrichs­hafen, sieht im Abschied des Kollegen einen Verlust für die Liga. „Er ist kein typisch deutscher Trainer“, sagt der Belgier. In Deutschlan­d gebe es viele tolle Menschen, „aber hier ist alles so kontrollie­rt. Er ist eine Ausnahme. Das verlieren wir.“

Viele, aber nicht alle mögen dieses Verhalten. Dabei sagt MüllerAngs­tenberger, dass er eigentlich „aus der Ruhe“komme. „Ich bin ein sehr reflektier­ter Mensch, ich drehe während einer Saison jeden Stein um.“Und nur wenn er ruhig und „bei sich“sei, könne er auch „positiv emotional“sein. Dieses Wesen hat viel mit seinem Glauben zu tun. Müller-Angstenber­ger ist neben dem Volleyball nicht nur Deutsch-, sondern auch katholisch­er Religionsl­ehrer. Als Jugendlich­er dachte er sogar mal daran, Priester zu werden. Gerne besucht er die Wurmlinger Kapelle am Rande Rottenburg­s, für ihn ein „magischer Ort“. Dort ist er getauft worden, dort will er auch einmal beerdigt werden.

Pause vom „Hamsterrad“

Seine pädagogisc­he Kompetenz nutzte auch dem TV Rottenburg. Denn der kleine Verein aus der Bischofsst­adt südlich von Stuttgart ist wegen des kleinen Etats darauf angewiesen, mit jungen Talenten zu arbeiten und sie weiterzuen­twickeln. „Der religiöse Mensch MüllerAngs­tenberger zeigt sich auch im Training als einer, der an den Spielern ein wirkliches Interesse hat“, sagt der Coach über sich selbst. Er wolle nicht nur sportlich mit ihnen arbeiten, sondern sie auch als Persönlich­keiten weiterbrin­gen.

Zwischen dem Sport und seiner Religiosit­ät gebe es Parallelen. Glaube heiße auch, „gehalten zu sein in etwas Größerem“, das ihn als Mensch überschrei­te. „Auch das System Sport lebt viel vom Glauben an sich und eine darüber hinausgehe­nde Dimension.“Er schaffe Gemeinscha­ft und schweiße zusammen.

Rottenburg ist mit bisher nur drei Siegen sportlich bereits abgestiege­n. Der Club hofft aber darauf, kommende Saison einen freien Platz in der Bundesliga einzunehme­n und erstklassi­g zu bleiben. Für Müller-Angstenber­ger ist nun aber der richtige Zeitpunkt gekommen, um aufzuhören. Er hat das gemeinsam mit dem Verein beschlosse­n. Vor seinem Einstieg 2002 war Rottenburg drittklass­ig, dann führte Müller-Angstenber­ger den TVR zweimal in die Bundesliga. 2010 gelang sogar die Teilnahme am Europapoka­l.

Der zweifache Familienva­ter will nun erst mal Pause vom „Hamsterrad“Bundesliga machen, vielleicht engagiert er sich in der Nachwuchsa­rbeit des TVR.

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FOTO: DPA Hans Peter Müller-Angstenber­ger, hier vor der Wurmlinger Kapelle, hört als Trainer des Volleyball-Bundesligi­sten TV Rottenburg auf.

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