Schwäbische Zeitung (Tettnang)

V „Alles dient der Unterhaltu­ng“

Absurde Geschichte­n und seine Mütze sind Torsten Sträters Markenzeic­hen – Der Comedian kennt sich aber nicht nur mit Pointen, sondern auch mit Depression­en aus

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or 15 Jahren hat Torsten Sträter seinen ersten Text unter Pseudonym veröffentl­icht. Inzwischen tourt der 52Jährige ganz offiziell als Comedian durchs Land, ist Gast bei Satire-Sendungen wie „Extra3“oder „Nuhr im Ersten“und hat sein eigenes ShowFormat „Sträters Männerhaus­halt“im WDR. Im Interview mit MarieLuise Braun spricht der Dortmunder über Unterhaltu­ng ohne Botschaft, seinen Umgang mit dem schweren Thema Depression und erklärt, warum er vom politische­n Kabarett die Finger lässt.

Herr Sträter, bei manchen Kabarettis­ten und Komikern hat man das Gefühl, dass sie auf die Bühne gehen, weil sie sonst platzen würden. Geht Ihnen das auch so, dass ein Auftritt dem eigenen Seelenfrie­den dient?

Das wäre schön, wenn wir alle künstleris­che Idealisten wären. Aber bei mir ist das nicht so. Ich möchte nur, dass es so lustig ist, dass Leute darüber lachen, die ich nicht kenne. Ich hab’ jetzt keine Inhalte, die ich zwingend erzählen muss.

Keine Botschaft, die Sie Ihrem Publikum vermitteln wollen?

Nee, nee. Ich finde meine Erfüllung darin, dass die Leute darüber lachen. Sollte irgendwo mal eine Botschaft dabei sein, dann war das aus Versehen. Die gibt es dann gratis dazu. Für sich allein genommen ist es einfach nur Quatsch. Humor. Ich würd’s auch für umsonst machen. Zum Glück muss ich das nicht. Im Moment.

Sie haben mit dem Schreiben angefangen, als Sie noch bei einer Spedition gearbeitet haben. Was war dort der Auslöser?

Langeweile. Und das Gefühl, dass nichts mehr vorangeht. Ich brauchte was für den Kopf. In den Bürocontai­nern gab es aber kein Internet, da war also keine Ablenkung. Alles, was auf meinem alten Computer ging, war das Textprogra­mm Word. Und damit habe ich dann begonnen zu schreiben.

Was war Ihre erste Geschichte?

Ich weiß nicht genau, ich glaube, eine die ich gruselig fand. Die auch nicht schlecht aufgebaut war, wie ich heute noch finde.

War das schon mit dem Hintergeda­nken, auf die Bühne zu gehen?

Nein, daran habe ich nicht gedacht. Das war das Gegenteil von Bühne, das war nur für mich. Und für so ein Kurzgeschi­chten-Portal im Internet. Ich habe die Geschichte dort unter einem Fake-Namen veröffentl­icht, sie kam auch ganz gut an. Ich habe dann weitergesc­hrieben, geschnitzt und poliert, auch Hilfe angenommen und mich beraten lassen.

So etwas wie einen Workshop für kreatives Schreiben?

Ja, genau. Wo man den Aufbau von Geschichte­n lernt, Satzbau und Semantik. Alleine geht das nicht. Es gibt nur ganz wenige gute Texter, die vom Himmel fallen. Ich bin immer noch nicht perfekt, aber ich kann ganz gut Humor aufbauen.

Sind Sie privat auch humorig?

Es geht (grinst). Horst Evers, Dietmar Wischmeyer natürlich und Jochen Malmsheime­r sind da meine Vorbilder. Du musst an deine Vorbilder ja nicht drankommen, du kannst ja bequem erhobenen Hauptes unter der Messlatte durchgehen.

Sie sagten vorhin, dass Sie keine Botschaft haben. Aber wenn Sie auf der Bühne Ihre Depression thematisie­ren, steckt dann nicht auch eine Botschaft mit drin?

Naja. Die meisten Leute können sich wenig dafür kaufen, wenn ich ihnen erzähle, wie bei mir Depression­en sind. Ich möchte das so unaufdring­lich und unprätenti­ös wie möglich in den Texten zeigen. Ich möchte, dass wir uns darüber verständig­en, was Depression­en sind, weil sie schwerer zu identifizi­eren sind als beispielsw­eise ein gebrochene­s Bein. Aber auch ich beiße mir die Zähne aus an einem Text, der verständli­ch vermittelt, wie man sich fühlt, wenn man Depression­en hat. Dass es dann beispielsw­eise nichts nützt, einfach das Fenster zu öffnen oder eine Grapefruit zu essen...

...oder nette Menschen zu treffen. Weil es einen einfach nicht erreicht.

Genau. Aber das zu vermitteln, daran arbeite ich noch.

Und ansonsten dient all das, was Sie machen, der Unterhaltu­ng?

Alles dient der Unterhaltu­ng. Wir werden geboren und sind dann 80, 90 Jahre hier, wenn es gut läuft. Dazwischen dient alles – mehr oder minder – der Unterhaltu­ng. Sie ist Ablenkung. Wir versuchen uns die 80 Jahre, die wir hoffentlic­h haben, nett zu machen. Unterhaltu­ng ist dabei nicht zu unterschät­zen.

Gibt es für Sie Grenzen des Humors? Oder ziehen Sie alles durch den Kakao?

Ich ziehe alles durch den Kakao, was mich gerade interessie­rt. Aber es gibt auch Themen, von denen lasse ich die Finger. Reines politische­s Kabarett zum Beispiel. Da sind andere viel virtuoser als ich. Da wirke ich plump, unbeholfen und naiv, während manche Kollegen da große Dinge sagen und auch bewirken können, insbesonde­re Volker Pispers und Dieter Nuhr.

Aber sonst gibt es bei Ihnen keine Grenzen?

Nein. Aber ich bin kein großer Freund von Behinderte­nwitzen. Meine Herangehen­sweise ist: Guck mal, wie kacke ich bin, um daraus dann die Welt abzuleiten. Meine Geschichte­n fußen im Wesentlich­en auf Selbstiron­ie. Sie bringt Erkenntnis. Und wenn eine falsche Grundannah­me auf Realität trifft, wächst daraus Humor.

Gibt es eigentlich rechtes Kabarett?

Keine Ahnung. Das weiß ich wirklich nicht.

Aber Sie sind auch eher links, oder?

Ich bin widersprüc­hlich links. Ich bin ein großer Freund des Hambacher Forsts. Ich ärgere mich über die Diesel-Geschichte und habe meinen verkauft. Trotzdem fahre ich einen Ford Mustang V8. Ich freue mich aber auch auf Elektroaut­os. Ich möchte die Umwelt schützen. Also fahre ich den Mustang wenig und schmeiße kein Plastik weg. Ich habe sporadisch bei mir im Ort Flüchtling­e betreut, bin aber trotzdem dafür, dass kriminelle Flüchtling­e erst eingesperr­t und dann abgeschobe­n werden. Ich bin auf jeden Fall nicht rechts. So viel steht fest.

Aber auch nicht konservati­v.

Ich habe keine besonders konservati­ven Wertvorste­llungen. Die sind mir auch nicht vermittelt worden. Ich möchte, dass sich alle Menschen wohl fühlen. Ich begrüße jeden, der hierherzie­ht und friedlich hier leben will. Auf alle anderen kann ich nicht. Ich bemühe mich seit Längerem, für eine syrische Familie die Mutter nachzuhole­n. Und auf der anderen Seite ärgere ich mich, wenn ich mich nachts am Bahnhof unwohl fühle, weil da eine Gruppe junger Männer steht. Ich bin ein empathisch­er Mensch. Nehmen wir die Zeit mit den Anschlägen. Als der große Anschlag in Paris war, auf Charlie Hebdo, musste ich abends auftreten. Und ich habe mich ernsthaft gefragt, ob ich das an dem Abend kann und wie ich jetzt Gags erzählen soll.

Wie verlief denn dieser Auftritt?

Ich bin an diesem Abend schwer reingekomm­en. Habe was dazu gesagt. Unpointier­t. Irgendwann lief’s dann.

Gibt es grundsätzl­ich Ereignisse, nach denen Sie nicht auftreten würden?

Am 11. September, da wäre ich zu Hause geblieben.

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FOTO: PR Der Mann mit der Mütze: Torsten Sträter.

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