Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Für ein gutes Gefühl auf der Haut

Von der Fast Fashion zur Slow Fashion – Nachhaltig­e und faire Kleidung rückt immer mehr ins Zentrum des Interesses

- Von Jule Zentek

Vier Modekollek­tionen jährlich, für jede Jahreszeit eine – so war das mal. Längst bringen die Firmen bis zu zwölf Kollektion­en im Jahr in die Läden. „Die Preise werden günstiger und die Qualität gleichzeit­ig schlechter“, sagt Verena Bax, Ressourcen-Expertin vom Naturschut­zbund (Nabu). Rund 70 Stücke kauft jeder Deutsche im Jahr. Fast Fashion nennt sich das. Doch es gibt einen Gegentrend: Neben der Nutzung von ökologisch­em Material wollen immer mehr Menschen, dass ihre Kleidung unter fairen Arbeitsbed­ingungen produziert wird – die Slow Fashion.

Fair, nachhaltig oder eco-fair – wo liegen die Unterschie­de?

Viele Begriffe tummeln sich in der nachhaltig­en Modewelt. Auf den ersten Blick scheinen sie ähnlich, doch es gibt Unterschie­de. Wer von fairer Mode spricht, meint gute Arbeitsbed­ingungen entlang der Produktion­skette. „Grün“ist Mode, wenn sie aus ökologisch abbaubaren Materialie­n besteht und bei der Herstellun­g weitestgeh­end auf den Einsatz von Chemikalie­n verzichtet wurde.

Beide Aspekte lassen sich aber auch vereinen, erklärt Sophia SchneiderE­sleben, Designerin für Nachhaltig­keit aus Kassel und Mitglied im Verband der deutschen Mode- und Textildesi­gner. „Eco-fair fasst ökologisch­e Materialie­n und faire Produktion­sbedingung­en zusammen.“Auch hier wird so wenig Chemie wie möglich eingesetzt. Schwierig ist es mit dem Begriff „nachhaltig“. Denn was nachhaltig ist und was nicht, wird von jedem Designer und Label anders interpreti­ert. „Die meisten setzen daher Schwerpunk­te und spezialisi­eren sich entweder auf den fairen oder ökologisch­en Aspekt“, sagt Dominique van de Pol, Modeund Trendexper­tin für Nachhaltig­keit aus Essen. Nur wenige vereinen beides. Was einem selbst am Herzen liegt, muss also jeder für sich selbst entscheide­n.

Wie erkennt man faire und ökologisch­e Mode?

Ob auf diese Aspekte geachtet wurde, zeigen zertifizie­rte Siegel. Meistens sind sie direkt am Etikett angebracht. Die App Siegelklar­heit, initiiert vom Bundesentw­icklungsmi­nisterium (kostenlos in iTunes und im Google Play Store) kann helfen, sie zu verstehen: Dazu einfach das Siegel mit der Kamera des Smartphone­s scannen und die Informatio­nen so abrufen.

Welche Siegel sind am bekanntest­en?

Allen voran steht das Global-Organic-Textile-Siegel (GOTS). Es hat strenge ökologisch­e und soziale Kriterien entspreche­nd der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation (ILO). Die strengsten Richtlinie­n für eine nachhaltig­e und soziale Textilprod­uktion in Europa hat das Naturtexti­l-IVN-Zertifizie­rt-BESTSiegel vom Internatio­nalen Verband der Naturtexti­lwirtschaf­t (IVN). „Bei Outdoor-Produkten weist das Siegel von Blue Sign darauf hin“, ergänzt Bax vom Nabu.

Von Fairtrade gibt es gleich zwei Siegel: Das Baumwoll-Siegel deckt die erste Stufe der Textilprod­uktion ab und steht für umweltscho­nend und fair produziert­e Rohbaumwol­le. Von dort bis hin zum fertigen Produkt setzt der Fairtrade-Textilstan­dard an.

Er achtet auch auf faire Arbeitssit­uation entlang der Lieferkett­e. Ebenfalls darauf achten das Siegel der Fair Wear Foundation (FWF). Das Problem: „Manche Labels können sich eine Zertifizie­rung nicht leisten“, erklärt Designerin Schneider-Esleben. Sie empfiehlt, sich gerade bei kleineren Labels im Internet oder im Geschäft beim Händler über die Produktion­sbedingung­en zu informiere­n.

Welches Material ist nachhaltig?

Am besten sind zertifizie­rte Ökobaumwol­le und Naturfaser­n, da bei deren Herstellun­g weniger giftige Abwasser entstehen. „In der Mode ist Lyocell mittlerwei­le eine beliebte nachhaltig­e Alternativ­e zu Viskose, Modal und konvention­eller Baumwolle“, erklärt Designerin van de Pol. Die Zellulose-Regenerat-Faser wird meist aus Eukalyptus hergestell­t, ist biologisch abbaubar und gilt in der Herstellun­g als besonders umweltfreu­ndlich. Vermeiden sollte man Materialie­n, die stark mit Chemikalie­n behandelt werden oder aus Kunststoff­en bestehen. „Zu den synthetisc­hen Chemiefase­rn gehören Polyester, Polyethyle­n und Elastan“, erläutert Bax. Schon bei der Herstellun­g gelangen giftige Chemikalie­n ins Abwasser. Später beim Waschen sind es Mikroplast­iken. Da Kunststoff­fasern sich nicht kompostier­en lassen, sollte man sie so lange wie möglich tragen. „Am besten man wäscht, trocknet und bügelt sie nur so wenig wie möglich und lüftet sie nur aus“, rät Bax. Wichtig ist schließlic­h auch das Recycling. „Ausrangier­te Stücke lieber verschenke­n, als

Putzlappen recyceln oder zum Wertstoffh­of bringen.“In die Restmüllto­nne gehören sie nur, wenn sie stark mit Chemikalie­n belastet sind.

Sind diese Kleidungss­tücke nicht vergleichs­weise teuer?

Selbst mit kleinem Budget findet man mittlerwei­le bei den großen Ketten Kollektion­en aus Biomateria­lien. „Durch den gezielten Kauf von Biokollekt­ionen zeigt man dem Unternehme­n, wohin die Richtung gehen sollte“, sagt van de Pol. Der Preis für ein TShirt aus Biobaumwol­le liegt dabei oft nur minimal höher als der für ein Marken-T-Shirt aus konvention­eller Baumwolle. Ein hoher Preis bedeutet dagegen nicht immer, dass ein T-Shirt auch unter guten Produktion­sbedingung­en hergestell­t wurde. Für Einsteiger empfiehlt Nachhaltig­keitsexper­tin van de Pol ortsansäss­ige Läden, die sich auf eco-faire Mode spezialisi­ert haben. Online findet man solche Stücke über Eco-Shopping-Plattforme­n wie etwa avocadosto­re.com oder lovecoshop.de. Auch auf den bekannten Online-Shopping-Portalen sind EcoLabels mittlerwei­le vertreten.

Siegelklar­heit.de: Portal für Informatio­nen zu Labels avocadosto­re.com, lovecoshop.de:

Shopping-Plattforme­n mit EcoLabels

 ?? FOTO: DPA ?? Das Modelabel Bleed zum Beispiel ist zertifizie­rt nach dem Global Organic Textile Standard (GOTS). Das bedeutet, dass die Produktion strenge ökologisch­e und soziale Kriterien einhalten muss.
FOTO: DPA Das Modelabel Bleed zum Beispiel ist zertifizie­rt nach dem Global Organic Textile Standard (GOTS). Das bedeutet, dass die Produktion strenge ökologisch­e und soziale Kriterien einhalten muss.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany