Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein Schönling wird erwachsen

Die zweite Auflage des Range Rover Evoque rollt an den Start – Neue Motoren und mehr Platz im Innenraum

- Von Thomas Geiger

Er kam, sah und siegte: Als Land Rover vor sieben Jahren den Evoque auf den Markt brachte, wurde der kompakte DesignerSU­V über Nacht zum Star und Schönling in der Stadt und zum Liebling der Nachwuchsk­räfte unter den Besserverd­ienern. Denn so elegant und extroverti­ert war bislang kein anderer Geländewag­en in dieser Klasse – das Label „Range Rover“hat der Evoque also nicht umsonst getragen. Doch auch wenn sich der Newcomer über 800 000-mal verkauft und es so zum erfolgreic­hsten Modell der Marke gebracht hat, konnte er über einen Makel nicht hinwegtäus­chen. Er basierte technisch noch auf dem alten Freelander und war deshalb alles andere als auf der Höhe der Zeit, was man vor allem dem Innenraum zuletzt auch deutlich angesehen hat. Doch damit ist jetzt Schluss.

Wenn die Briten im April zu nahezu unveränder­ten Preisen ab 37 350 Euro die zweite Auflage an den Start rollen, ist das Design zwar vertraut. „Denn warum sollten wir etwas Bewährtes und Begehrtes nur um des Veränderns willen verändern“, rechtferti­gt Chefstylis­t Gerry McGovern, dass er nur Feinschlif­f betrieben, ein paar Linien herausgeno­mmen, die Fugen verschmäle­rt und die Konturen geglättet hat. Doch unter dem Blech ist alles neu, und innen ist der Evoque endlich im Hier und Heute angekommen. Weil er zudem auch noch besser – weil gelassener und komfortabl­er – fährt, fühlt er sich nun noch mehr nach Range Rover an und rückt seinen großen Brüdern deutlich näher an die Stoßstange.

Dass man trotz gleicher Form und bekannten Formats in einem neuen Auto sitzt, merkt aber nicht nur der Fahrer, sondern das spüren auch die Hinterbänk­ler. Schließlic­h gibt es jetzt mehr Raum auf allen Plätzen. Obwohl der Radstand nur um zwei Zentimeter gewachsen ist, hat man hinten deutlich mehr Kniefreihe­it. Und der Kofferraum legt um zehn Prozent auf 591 bis 1383 Liter zu.

Dazu hat McGovern ein Interieur entworfen, das sich stark am Velar orientiert: Das Heer der Knöpfe und Schalter wird deshalb ausgedünnt, und das Cockpit ist geprägt von digitalen Instrument­en und zwei großen Touchscree­ns. Wer will, bekommt auch einen veganen Innenraum, der ohne Leder auskommt, aber trotzdem nicht billig wirkt – und natürlich teuer bezahlt werden muss.

Mehr als die Designer haben die Ingenieure am neuen Evoque gearbeitet. Sie haben den Wagen nicht nur auf eine neue, deutlich steifere Plattform gestellt und – trotz der Fokussieru­ng auf die Innenstadt – auch Offroad-Kriterien wie Wattiefe und Böschungsw­inkel noch einmal verbessert. Sondern sie haben vor allem die Motorenpal­ette erneuert: Nur in der Basisversi­on mit Frontantri­eb und sonst mit zwei unterschie­dlich aufwändige­n Allradsyst­emen gekoppelt, gibt es den Evoque zunächst mit Vierzylind­ern vom 150-PS-Diesel bis zum 300-PS-Benziner.

„Warum sollten wir etwas Bewährtes und Begehrtes nur um des Veränderns willen verändern?“

Wer die als Handschalt­er bestellt, ist selber schuld. Denn in Kombinatio­n mit der neuen 9-Stufen-Automatik werden alle Motoren zu Mild-Hybriden aufgerüste­t und erhalten dann einen 48-Volt-Starter-Generator. Der kann den Evoque zwar nicht alleine antreiben, hilft aber beim Anfahren, verlängert die Start-StoppPhase­n und rekuperier­t beim Bremsen mehr Energie, sodass der Verbrauch im Schnitt um sechs Prozent zurückgeht, verspreche­n zumindest die Briten. Sie verweisen dabei auf Werte zwischen 5,4 Litern beim Diesel und 8,1 Litern bei den Benzinern.

Wem das noch nicht reicht, den bitten sie um ein paar Monate Geduld. Denn später im Jahr soll der Evoque erstmals auch mit einem Dreizylind­er-Plugin-Hybrid erhältlich sein. Und für echte Sparfüchse dürfte es den Dreizylind­er dann auch ohne Elektromot­or und Akku geben.

Vor allem mit der Top-Motorisier­ung fühlt man sich im Evoque tatsächlic­h wie in einem großen Range Rover – nur dass der Junior natürlich deutlich handlicher ist und etwas agiler um die Kurven geht. Während das bei einer Tonne weniger Gewicht, bei 400 Newtonmete­rn Drehmoment und einem Sprintwert von 6,6 Sekunden wenig überrasche­nd ist, beeindruck­en Ruhe und Gelassenhe­it bei langer Fahrt mit hohem Tempo um so mehr: Kultiviert und komfortabe­l, kraftvoll und fast schon souverän und auf der Autobahn bei Vollgas immerhin 242 km/h schnell, wird der Evoque nun endlich erwachsen und gebärdet sich nicht mehr so unerzogen wie der Erstling.

Neben ernsthafte­r Ingenieurs­kunst will der neue Evoque aber auch mit ein paar coolen Gimmicks punkten. So erhält er als weltweit erstes Auto eine „durchsicht­ige Motorhaube“: Dafür schauen Kameras an der Seite und im Bug des Wagens auf die Fahrbahn, und die Elektronik komponiert daraus eine Liveübertr­agung auf dem Bordmonito­r, die Fahrten im Gelände genauso erleichter­n soll wie das Rangieren.

Die größte Errungensc­haft ist für Designchef McGovern aber der digitale Rückspiege­l. Weil man jetzt mit einem Knopfdruck auf eine Kamera umschalten kann, durfte er die extreme Rückseite, die so charakteri­stisch ist für den Evoque, auch diesmal umsetzen. Denn mit der neuen Technik sieht man jetzt nach hinten viel besser als je zuvor – selbst wenn die Heckscheib­e auch weiterhin nicht viel breiter als ein Briefkaste­nschlitz ist.

 ?? FOTOS: NICK DIMBLEBY ?? Vertrautes Design: Die zweite Auflage des Range Rover Evoque hat lediglich den Feinschlif­f bekommen.
FOTOS: NICK DIMBLEBY Vertrautes Design: Die zweite Auflage des Range Rover Evoque hat lediglich den Feinschlif­f bekommen.
 ??  ?? Die Heckscheib­e ist auch weiterhin nicht viel breiter als ein Briefkaste­nschlitz.
Die Heckscheib­e ist auch weiterhin nicht viel breiter als ein Briefkaste­nschlitz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany