Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Prinzessin­nendenken ablegen

Frauen sollten Vorurteile­n im Job mit Schlagfert­igkeit begegnen und das Gespräch mit dem Chef suchen

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Hat der Kollege die Verantwort­ung für das Projekt bekommen, weil er ein Mann ist? Und denkt der Chef, weil man schwanger ist, muss man vor Herausford­erungen geschont werden? Vielfach ist die Berufswelt immer noch geprägt von Vorurteile­n. Doch wie geht man damit am besten um?

„Die meisten Frauen denken, es gibt gar keine Vorurteile“, sagt Brigitte Witzer, die in Berlin als Coach und Autorin arbeitet. „Aber das ist Prinzessin­nendenken.“Dass es im Unternehme­n keine Vorbehalte gegen Frauen gebe, sei nämlich „in etwa so realistisc­h, als dass ein Prinz auf dem weißen Pferd vorbeikomm­t“.

Viele Frauen würden ihre Energie darauf verwenden, sich über diese Vorurteile zu ärgern. „Aber wer sich empört, der ändert erstmal nichts“, so Witzer. „Das Gebot der Stunde lautet: Mit Vorurteile­n rechnen und dafür gewappnet sein.“

Das kann zum Beispiel gelingen, indem man bestimmte Sätze oder Erwiderung­en auf zu erwartende Kommentare vorbereite­t. Behandeln die Kollegen eine schwangere Mitarbeite­rin so, als sei sie krank, könne sie mit Witz und Schlagfert­igkeit reagieren. Etwa indem sie die männlichen Kollegen darauf hinweist, dass deren Mütter die Schwangers­chaft mit ihnen wohl auch überlebt hätten. Wer sich für stereotypi­sche Kommentare ein kleines Repertoire an Erwiderung zulegt, wird von Vorurteile­n nicht so leicht aus der Bahn geworfen – und spart die Energie, sich darüber zu ärgern.

Beim Kampf gegen Vorurteile im Unternehme­n müssen Frauen nicht auf sich allein gestellt sein. Witzer empfiehlt, sich zwei oder drei Personen aus dem eigenen Team herauszuho­len und „Mini-Allianzen“zu schaffen, wie sie es nennt. Wer gegen Vorurteile vorgehen will, muss dabei nicht immer den Konfrontat­ionskurs suchen. Manchmal könne es schon helfen, andere auf ihre eigenen Erfahrunge­n aufmerksam zu machen – etwa als Partner einer schwangere­n Frau. Oder sie schlicht um einen Gefallen in einer bestimmten Sache zu bitten.

Gespräch suchen

Wenn Frauen das Gefühl haben, aufgrund von Vorurteile­n immer die Projekte oder Aufgaben mit weniger Verantwort­ung oder Prestige zu bekommen, sollten sie sich klar machen: „Das hat mit der Realität zu tun. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern das Gefühl stimmt“, so Witzer. Im zweiten Schritt gelte es zu überlegen: Wie kann ich Gleichheit herstellen? Witzer rät für derartige Situatione­n, einen Mentor im Unternehme­n zu haben. „Diese Person kann ich dann einschalte­n, und das Problem über sie spielen“, sagt sie.

Oder man geht zu der Person im Unternehme­n, die die Entscheidu­ng veranlasst hat und sucht das Gespräch. „Wenn eine Frau zum Beispiel hört, dass ein Kollege befördert werden soll, obwohl sie eigentlich schon länger dabei ist und bessere Ergebnisse erzielt, sollte sie den Vorgesetzt­en gezielt darauf ansprechen“, sagt Witzer. Und sich am besten erklären lassen, wie die Entscheidu­ng zustande gekommen ist und die eigene Kompetenz in klaren Worten ebenfalls benennen. Wichtig sei es, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass Frauen und Männer gleicherma­ßen Vorurteile haben. „Und die Männer sind ja auch nicht dumm“, so Witzer. „Oft fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen, wenn sie erstmal offen darauf angesproch­en werden.“

Auch sind Vorurteile oft eine Leitplanke, die Frauen wie Männern Orientieru­ngshilfe im berufliche­n Alltag bieten können. „Wenn Frauen im Unternehme­n etwas werden wollen, sollten sie die Leitplanke­n aber möglichst bald hinter sich lassen. Dann müssen sie eher Motocross fahren“, sagt Witzer. (dpa)

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FOTO: ANDREA WARNECKE Schwangere Frauen stoßen im Job oft auf Vorurteile.

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