Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Hamas verkündet Waffenruhe
Israel beschießt Ziele im Palästinensergebiet
TEL AVIV/GAZA (dpa) - Nach massivem Raketenbeschuss auf Israel und israelischen Luftangriffen im Gazastreifen haben militante Palästinenser einseitig eine Waffenruhe verkündet. Fausi Barhum, ein Sprecher der im Gazastreifen herrschenden Hamas, teilte mit, Ägypten habe die Rückkehr zu einer entsprechenden Vereinbarung vermittelt. Diese solle sofort in Kraft treten. Von israelischer Seite gab es keine Bestätigung.
Militante Palästinenser feuerten noch am Abend Raketen ins israelische Grenzgebiet. In der Grenzstadt Sderot wurde ein Haus getroffen. Dabei sei aber niemand verletzt worden. Israels Luftwaffe hatte zuvor drei Gebäude der Hamas zerstört, darunter das Büro des Hamas-Chefs Ismail Hanija. Israel reagierte damit auf einen Raketenangriff aus dem Gazastreifen, bei dem ein Haus bei Tel Aviv demoliert worden war. Sieben Menschen erlitten Verletzungen, darunter Kleinkinder.
In Nahost flammt die Gewalt wieder auf: Eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete traf am Montagmorgen ein Wohnhaus im Moschav Mischmeret nördlich von Tel Aviv. Sieben Israelis wurden verletzt, darunter drei Kinder. Mit einem solchen Angriff hatte niemand gerechnet. Auch die israelische Armee wurde böse überrascht – und übte noch am selben Tag Vergeltung.
Seit dem Gaza-Krieg im Sommer 2014 hat keine derart weitreichende Rakete Israel getroffen. Abgefeuert wurde sie nach Angaben der Streitkräfte von einem Hamas-Stützpunkt an der Südspitze des Gazastreifens, über 120 Kilometer vom Einschlagsort entfernt. Die kurzen Kassem-Raketen, denen sich die israelischen Kommunen in unmittelbarer Nachbarschaft immer wieder mal ausgesetzt sahen, vermochten die ägyptischen Vermittlungsbemühungen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas bislang nicht zu sabotieren. Doch ein Raketenangriff mitten ins israelische Zentrum ist von anderer Qualität. Umso mehr, als er genau in der heißen Wahlkampfphase geschah, zwei Wochen bevor die Israelis am 9. April über eine neue Regierung entscheiden.
Premier Benjamin Netanjahu brach eine Reise in die USA ab und reiste nach Israel zurück. Zu diesem Zeitpunkt waren zwei Infanterieund Panzerbrigaden bereits unterwegs zur Gaza-Grenze.
Hamas will Angriff untersuchen
Das Innenministerium der Hamas in Gaza kündigte eine Untersuchung an, wer hinter dem Raketenangriff stecke. Die Hamas jedenfalls habe „kein Interesse“, Raketen auf Israel zu feuern. Als Alleinherrscherin in Gaza trägt sie jedoch aus israelischer Sicht die Verantwortung in Gaza. Offiziell bekannte sich zwar zunächst keine militante Gruppe zu dem verheerenden Abschuss. Allerdings kursierte in Gaza ein Statement, besagte Rakete sei in Solidarität mit palästinensischen Häftlingen in Israel lanciert worden. Sie hatten Sonntagnacht eine Rebellion im israelischen Hochsicherheitsgefängnis Ketziot angezettelt, nachdem die Wärter ihre Kommunikation mittels eingeschmuggelter Handys durch Störfrequenzen unterbunden hatten.
Zu alldem kommt der für Freitag angekündigte „Millionenmarsch“, zu dem alle palästinensischen Fraktionen aufgerufen haben, um den Jahrestag der wöchentlichen Proteste am Grenzzaun von Gaza zu begehen. Ein Aktionstag, der die Gewaltspirale weiter hochschrauben könnte.
Am Montagnachmittag flog die israelische Armee Vergeltungsangriffe über dem Gazastreifen – nach eigenen Angaben auf „Hamas-Terror-Ziele“. Militante Palästinenser feuerten ihrerseits zahlreiche Raketen ins israelische Grenzgebiet. Am Abend verkündete die Hamas einseitig eine Waffenruhe.
Israels Premier Netanjahu war schon im Herbst, als die Lage nach einem tödlichen Zusammenstoß zwischen einer Spezialeinheit und einem Hamas-Trupp außer Kontrolle zu raten drohte, daheim heftiger Kritik ausgesetzt. Allzu schnell, so der Vorwurf, habe er damals einer Waffenruhe zugestimmt.
Sein Herausforderer Benny Gantz, ehemals Generalstabschef, heute Spitzenkandidat des MitteLinks-Bündnisses „Blau-Weiß“, hielt ihm vor, mit seiner Nachgiebigkeit „Israel zur Geisel der Hamas“gemacht zu haben. Wer Raketenangriffe aus Gaza auf den Süden Israels herunterspiele, bekomme nun eben Raketen im Herzen des Landes.
Bislang war Netanjahus Trumpfkarte, in den Augen vieler Israelis als „Mr. Security“dazustehen, dem man seine Korruptionsaffären noch nachsah. Dass er sich in der so hoch gewerteten Sicherheitsfrage mit Blick auf den Wahltag neu profilieren will, macht die Lage noch brisanter.