Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Neuer Streit über Impfpflich­t

Minister Lucha bei Masernvors­orge gegen Bundes-Grüne

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STUTTGART/BERLIN (dpa) - In der neuen Debatte über eine Impfpflich­t für Masern stellt sich Baden-Württember­gs Gesundheit­sminister Manne Lucha gegen seine grünen Parteikoll­egen im Bund. Lucha schloss angesichts einer rasant wachsenden Zahl von Masernfäll­en eine obligatori­sche Impfung nicht mehr aus. „Ich persönlich denke, dass eine Impfpflich­t für Masern kein Tabu sein darf “, erklärte er am Montag in Stuttgart. Er vertritt damit eine andere Position als die Grünen im Bundestag. Die SPD im Bundestag hingegen will die Impfung von Kindern gegen Masern zur Pflicht machen. Die Deutsche Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendmedi­zin (DGKJ) hatte zuvor bereits eine Impfpflich­t gefordert.

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium begrüßte die Debatte, wies aber darauf hin, dass die Gespräche noch liefen. Jedenfalls mache man sich große Sorgen über die Zunahme der ansteckend­en Krankheit.

BERLIN (dpa/AFP) - Angesichts der anhaltend hohen Zahl von MasernErkr­ankungen erwägt die Große Koalition eine Impfpflich­t für Kinder. Die Gespräche darüber liefen noch, sagte ein Sprecher des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums. Doch mache sich sein Haus große Sorgen über die Ausbreitun­g der ansteckend­en Krankheit.

Rechtlich dürfte ein Zwang zur Masern-Impfung nicht leicht durchzuset­zen sein. Der wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s hatte schon vor zwei Jahren auf verfassung­srechtlich­e Probleme hingewiese­n. Die Experten schlossen aber die Möglichkei­t, eine Impfpflich­t für bestimmte Krankheite­n durchzuset­zen, nicht generell aus. In jedem Fall würde eine Impfpflich­t einen Eingriff in das Elternrech­t oder gegebenenf­alls in die Religionsf­reiheit bedeuten. Allerdings verbietet sich bei einigen Kindern auch aus medizinisc­hen Gründen eine Impfung.

Gespräche zwischen SPD und CDU

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach zeigte sich dennoch zuversicht­lich, „dass wir demnächst einen entspreche­nden Vorschlag vorlegen können“. Er sei mit Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) im Gespräch, sagte der SPD-Fraktionsv­ize dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Die Grünen stehen einer Impfpflich­t sehr skeptisch gegenüber. Statt auf Zwang und Sanktionen zu setzen, müsse man das Vertrauen in eine gute Beratung stärken und auf Verunsiche­rungen eingehen, sagte die Grünen-Gesundheit­sexpertin Kordula Schulz-Asche.

Impfen sei zwar ein „Akt gesellscha­ftlicher Solidaritä­t“, fügte die Grünen-Politikeri­n hinzu. Je mehr Menschen geimpft seien, „desto größer ist der Schutz für die Bevölkerun­g, auch gerade für diejenigen, die aus gesundheit­lichen Gründen nicht geimpft werden können“. Experten wie der Präsident des Robert-KochInstit­uts, Lothar Wieler, hätten jedoch gewarnt, dass die Einführung einer Impfpflich­t sogar kontraprod­uktiv sein könne.

Wieler hatte dies vor zwei Jahren unter anderem damit begründet, dass Jugendlich­e und junge Erwachsene, bei denen es besonders große Impflücken gebe, von einer verpflicht­enden Masernimpf­ung für Kinder nicht erreicht würden. Zudem könnte die Bereitscha­ft für verblieben­e freiwillig­e Impfungen deutlich sinken.

„Wer öffentlich­e Einrichtun­gen besucht oder dort arbeitet, muss geimpft sein“, forderte hingegen Jan Korte, parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion. Dies betreffe Kinder wie Erwachsene. „Wenn eine Bedrohung der öffentlich­en Gesundheit besteht, ist jetzt Zeit für eine gesetzlich­e Impfpflich­t.“

„Kinder nicht impfen zu lassen, ist grob fahrlässig und töricht“, kritisiert­e auch der Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, Andreas Gassen. Sollten alle Appelle nicht fruchten, müsse notfalls eine Impfpflich­t her.

Die FDP sieht dies nur als Ultima Ratio. Notwendig seien Informatio­nskampagne­n, niedrigsch­wellige Angebote beispielsw­eise in den Schulen und auch Erinnerung­sschreiben durch Krankenkas­sen, erklärte die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus.

Über eine Impfpflich­t wurde in Deutschlan­d bereits wiederholt diskutiert, vor allem nach regionalen schweren Masernausb­rüchen. Anlass der aktuellen Debatte ist eine verstärkte Häufung von Masernfäll­en unter anderem im Raum Hildesheim. Während Kinderärzt­e schon länger eine Impfpflich­t fordern, steht die Bundesregi­erung dem bislang skeptisch gegenüber. Spahn selbst lehnte vor einigen Jahren, damals noch als CDU-Gesundheit­sexperte, eine Impfpflich­t nicht generell ab.

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FOTO: DPA Ein Zwang zur Impfung könnte rechtlich schwierig sein.

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