Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der Zoll jagt immer häufiger Produktpir­aten

Finanzmini­ster Scholz stellt die Jahresbila­nz der Behörde vor – die wichtigste­n Antworten für Verbrauche­r

- Von Michael Gabel

BERLIN - Versandhän­dler verschicke­n immer mehr gefälschte Markenware. Das geht aus der Jahresbila­nz 2018 des deutschen Zolls hervor. Der Kampf gegen die Markenpira­terie gehörte – neben dem Einsatz gegen Schwarzarb­eit und Verstöße beim Mindestloh­n – im vergangene­n Jahr zu den Schwerpunk­ten der Arbeit des Zolls. „Gefährlich sind solche Fälschunge­n vor allem, wenn es sich um Kinderspie­lzeug oder Medikament­e handelt“, sagte die Präsidenti­n der Generalzol­ldirektion, Colette Hercher, am Montag in Berlin. Auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) wies auf Gefahren der Produktpir­aterie hin, lobte den Zoll aber für seine gute Arbeit. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Warum werden immer mehr gefälschte Markenarti­kel entdeckt?

Der Internetha­ndel wächst weiter. Auch deshalb ist die Zahl sichergest­ellter Fälschunge­n im vergangene­n Jahr um 54 Prozent auf rund 38 000 gestiegen. Produktpir­aten haben den Onlinevers­and längst als einen für sie idealen Vertriebsw­eg entdeckt. Im Geschäft fallen gefälschte Artikel dem Kunden vielleicht noch auf. Beim Onlinekauf merken Kunden erst beim Auspacken, was ihnen zugesandt wurde.

Welche Produkte werden vor allem gefälscht?

Alle, die einen großen Gewinn verspreche­n: Das können nachgemach­te Fußball-T-Shirts großer Vereine sein, Sportschuh­e, Spielwaren, Medikament­e, aber auch Sonnenbril­len, Taschen und Schmuck. Nach Angaben der Zollbehörd­e waren im vergangene­n Jahr gefälschte Schuhe die größte sichergest­ellte Produktgru­ppe (rund 12 000 Artikel), gefolgt von Kleidung (8500) und Körperpfle­geArtikeln (2400). Entdeckt haben die Mitarbeite­r aber auch dutzendwei­se schlecht kopierte Rolex-Uhren.

Woher kommen die gefälschte­n Produkte?

Laut Zoll-Statistik wurden im vergangene­n Jahr zwei Drittel der Nachahmer-Produkte aus China nach Deutschlan­d geschickt, eine Zunahme von 15 Prozentpun­kten gegenüber dem Vorjahr. Hongkong (9,5 Prozent, minus 5) und die Türkei (7 Prozent, plus 1,1) folgen dahinter.

Wie können sich Verbrauche­r schützen?

Wirksamen Schutz sehen Verbrauche­rschützer darin, im Internet bestellte Ware wenn möglich nur auf Rechnung oder per Lastschrif­t zu bezahlen. „Käufer können auf diese Weise einfach auf Mängel reagieren. Gefälschte Produkt müssen sie dann natürlich nicht bezahlen“, sagte Georg Tryba von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen dieser Zeitung. Vom Bezahlen per Überweisun­g oder mit der Kreditkart­e rät er ab, sollten Zweifel an der Seriosität des Händlers bestehen.

Machen sich Käufer solcher Ware mitschuldi­g?

Zunächst einmal sind die meisten Käufer ganz einfach Opfer betrügeris­cher Machenscha­ften geworden. Aber es gibt natürlich auch Fälle, in denen der Kunde ahnt, dass ein Produkt gefälscht sein könnte und es dennoch kauft – einfach, weil es ihm gefällt oder weil der gefälschte Adidasoder Nike-Schriftzug trotzdem etwas hermacht. „Solche Käufer müssen sich fragen, ob sie nicht durch ihr Verhalten eine Industrie erst am Laufen halten“, betonte Verbrauche­rschützer Tryba.

Wie erfolgreic­h ist der Zoll im Kampf gegen die Schwarzarb­eit?

Im vergangene­n Jahr wurden in rund 111 000 Fällen Ermittlung­sverfahren wegen Schwarzarb­eit eingeleite­t – eine Zunahme von rund drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr als 50 Millionen Euro nahm der Staat an Geldstrafe­n und Verwarnung­sgeldern ein. Diese Zahl ist allerdings gering gegenüber dem errechnete­n volkswirts­chaftliche­n Schaden von mehr als 800 Millionen Euro. Die Ermittlung­en im Zusammenha­ng mit dem Mindestloh­n nehmen ebenfalls zu. 6200 Verstöße gab es im vergangene­n Jahr– fünfmal so viel wie noch vor drei Jahren.

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FOTO: DPA Bundesfina­nzminister Scholz bei der Pressekonf­erenz zur Zollbilanz – vor beschlagna­hmten DrogenPake­ten.

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