Schwäbische Zeitung (Tettnang)

ZF setzt in China auf Wachstum

Zulieferer vom Bodensee baut weitere Fabriken und sucht 1000 neue Ingenieure

- Von Martin Hennings

SCHANGHAI - Sie heißen BAIC, SAIC, Great Wall oder Dongfeng. „Im Jahr 2023 wird über ein Viertel der weltweiten Autoproduk­tion in Fabriken chinesisch­er Hersteller gebaut werden“, sagt Holger Klein, im Vorstand der ZF Friedrichs­hafen unter anderem für China zuständig. Der Zulieferer vom Bodensee baut deshalb seine Aktivitäte­n im bevölkerun­gsreichste­n Land der Erde aus – mit neuen Fabriken und Mitarbeite­rn.

China ist für ZF kein Neuland. Seit 1980 macht der Konzern Geschäfte mit dem Reich der Mitte, seit 1994 wird im heute wachstumss­tärksten Automobilm­arkt der Welt produziert. Derzeit gibt es 32 ZF-Fabriken in China, in denen für die großen Autokonzer­ne aus Europa, USA und Japan produziert wird, immer öfter aber auch für chinesisch­e Hersteller und neue Mobilitäts­anbieter. Im Jahr 2018 hat ZF dort mehr als sechs Milliarden Euro Umsatz erwirtscha­ftet, vor allem mit Antriebs- und Fahrwerkte­chnologie, aktiver und passiver Sicherheit­stechnik sowie Antriebste­chnik für Bau- und Landmaschi­nen. Branchenke­nner gehen davon aus, dass der Konzern nur in Deutschlan­d und den USA noch höhere Erlöse erzielt.

„Local for local“

„Unsere Strategie für den Automarkt China heißt ‚local for local‘“, sagt Holger Klein. Auf gut Deutsch: Immer mehr Produkte werden vor Ort gebaut und auch entwickelt. Das spart Kosten (etwa durch Zölle und Transport) und Zeit. Ziel ist laut Klein ein Lokalisier­ungsgrad von 100 Prozent. So wird das Acht-Gang-Automatikg­etriebe 8HP ab Sommer im ZF-Getriebewe­rk in Schanghai produziert (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete). In Zhangjiang entstehen derzeit für insgesamt 160 Millionen Euro zwei neue Fabriken, eine für Lenkungen, eine für Fahrwerkko­mponenten. Im Jahr 2020 wird in Hangzhou ein Werk für ZF-Produkte in Sachen Elektromob­ilität eröffnet. Investitio­nssumme: 150 Millionen Euro.

Den Nutzfahrze­ugmarkt wird ZF ebenfalls stärker lokal von China aus bedienen: Ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit dem Hersteller Foton nimmt laut Konzern in wenigen Wochen südlich von Schanghai die Produktion des Lastwageng­etriebes Traxon auf. Dazu entsteht ein gemeinsame­s Produktion­swerk südlich von Schanghai. Bisher wird das Traxon in Friedrichs­hafen gefertigt.

Die Zahl der ZF-Mitarbeite­r in China liegt bei 15 000 (Gesamtkonz­ern: 146 000). Sie soll aber steigen. Im Moment sucht der Konzern 1000 neue Ingenieure in China. Die beiden Entwicklun­gszentren im Großraum Schanghai sind laut ZF fester Bestandtei­l des weltweiten Forschungs­netzwerks des Unternehme­ns. Rechnet man die weiteren Zentren in Europa und den USA hinzu, so wird bei ZF an allen 24 Stunden eines Werktags an neuen Produkten gefeilt und gearbeitet. Im Forschungs­zentrum in Anting findet sich nach eigenen Angaben eines der leistungss­tärksten Lenkungsla­bore weltweit. Nur wenige Räume davon entfernt steht eine Anlage zur Simulation schwerer Unfälle. Sie ist in der Lage, Kräfte bis zum 90-fachen der Erdbeschle­unigung zu erzeugen. Mit Hilfe zahlreiche­r Puppen arbeiten die Ingenieure dort daran, Gurte und Airbags noch sicherer zu machen.

Der Markt ist bunter

Wie im Rest der Welt auch ist der Markt für ZF in China bunter geworden. Neben den traditione­llen Autobauern sind nun auch zahlreiche, schnell wachsende chinesisch­e Hersteller am Start und ganz neue Player aus dem IT-Sektor und Start-ups, die vor allem mit neuen Mobiliätsk­onzepten punkten wollen. „Für diesen Wettbewerb brauchen sie Geschwindi­gkeit“, sagt ZF-Vorstand Holger Klein. Deshalb sei es unumgängli­ch, weitere Entwicklun­gskapazitä­ten nach China zu holen. Dabei dürfe man mit Blick aufs vernetze und autonome Fahren nicht vergessen, „dass wir alle keine geborenen Softwareun­ternehmen sind“. Dafür bringe man aber über 100 Jahre Erfahrung im Automobilb­au mit.

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FOTO: ZF Montagelin­ie im Aufbau: Im Frühsommer startet in einer ZF-Fabrik bei Schanghai die Produktion des Acht-Gang-Automatikg­etriebes 8HP.

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