Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Willenssta­rk und herzlich

Die Schauspiel­erin Jutta Speidel wird 65

- Von Cordula Dieckmann

MÜNCHEN (dpa) - Eigentlich ging Jutta Speidel 1969 noch zur Schule. Doch das Filmset war spannender. Gerade 15 Jahre war sie alt, als sie ihren ersten Kinofilm drehte: die Komödie „Pepe der Paukerschr­eck“. Eine Statistenr­olle, doch weil Speidel direkt hinter dem damals schon berühmten Hansi Kraus saß, wurde die Filmbranch­e auf sie aufmerksam – und aus dem Mädchen wurde eine richtige Schauspiel­erin. Rund 50 Jahre ist das her, „unfassbar“, findet Speidel. „Das Tolle ist, dass ich diesen Beruf so jung und in so einer Aufbruchph­ase kennenlern­en durfte“, sagt die Münchnerin, die am Dienstag ihren 65. Geburtstag feiert.

In mehr als 150 Filmen spielte Speidel, etwa 1979 in Rainer Erlers Thriller „Fleisch“, in der Serie „Alle meine Töchter“(ab 1995) oder 2012 in der Romanze „Wir haben gar kein Auto“mit ihrem damaligen Lebensgefä­hrten Bruno Maccallini. Lob bekam sie auch 2016 für die Komödien „Fanny und die geheimen Väter“und „Fanny und die gestohlene Frau“. Publikumsr­enner wurde 2002 die ARDSerie „Um Himmels Willen“, bis heute Quotengara­nt für das Erste. Als Klostersch­wester Lotte musste sie darin den intrigante­n Bürgermeis­ter Wöller (Fritz Wepper) in seine Schranken weisen. 2006 stieg Speidel aus.

Zum Alter hat die Schauspiel­erin ein entspannte­s Verhältnis. „Ich finde das schön, dass ich wieder ein Jahr älter geworden bin und dass es mir so gut geht“, meint sie. An alte Zeiten denkt sie gerne zurück, etwa an den Dreh zur TV-Serie „Drei sind einer zuviel“von 1977. Damals kam sie mit ihrem Kollegen Herbert Hermann zusammen, bis 1982 waren sie ein Paar.

Trotz ihrer Berühmthei­t und vieler Auszeichnu­ngen, darunter das Bundesverd­ienstkreuz, ist Speidel bodenständ­ig geblieben. Und sie hat kein Verlangen danach, sich jünger zu machen. „Heute bist du eine Ausnahmeer­scheinung, wenn du Falten im Gesicht hast“, erklärt sie in einem Filmporträ­t aus der Reihe „Lebenslini­en“, das im BR Fernsehen anlässlich ihres Geburtstag­s lief. „Bei mir passt wenigstens alles von Kopf bis Fuß zusammen, weil alles altert und das ist schön.“

Speidels Entschloss­enheit

Was Speidel nicht gut kann: herumsitze­n und tatenlos zusehen. So gründete sie 1997 den Verein „Horizont für obdachlose Kinder und ihre Mütter“, der mit Spenden finanziert wird. Der damalige Münchner Oberbürger­meister Christian Ude hielt das erst wegen des großen Aufwands für eine „absurde Schnapside­e“, wie er im „Lebenslini­en“-Film sagt. Doch er hatte nicht mit Speidels Entschloss­enheit gerechnet. „Es ist vollkommen sinnlos, der Jutta etwas ausreden zu wollen“, so seine Erkenntnis. Mittlerwei­le hat die Organisati­on zwei Häuser. Frauen und Kinder bekommen Unterkunft und Hilfen, um in ein selbstbest­immtes Leben zurückkehr­en zu können. „Viele der Frauen sind durch private Qualen gegangen, das ist oft der Grund, warum sie lieber Obdachlosi­gkeit und Flucht bevorzugen, als noch länger in so einer Hölle zu leben“, erklärt Speidel, die regelmäßig mitarbeite­t.

In ihren Geburtstag will sie reinfeiern, mit Freunden und Familie. Ein Zusammenha­lt, der ihr wichtig ist, vor allem mit ihren beiden Töchtern und ihrem zweijährig­en Enkel. Mit ihm könne sie die Welt neu entdecken. „Ich genieße es, wenn ich ihn mal haben darf“, schwärmt sie.

Ans Ausruhen denkt die Schauspiel­erin noch lange nicht. „Ich bin bei Gott noch nicht beim alten Eisen in diesem Beruf, ich habe ganz viele Pläne.“Ende April steht sie wieder auf der Bühne der Komödie im Bayerische­n Hof in München, im turbulente­n Stück „Sommeraben­d“. „Man soll die Dinge, die einem am Herzen liegen, jeden Tag lieben und genießen“, beschreibt Speidel ihr Lebensmott­o. „Und dankbar sein, dass man sie leben darf.“

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FOTO: DPA Jutta Speidel spielte in mehr als 150 Filmen mit.

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