Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Regionale Firmen von digitaler Erpressung betroffen

Hacker haben es auf Daten von Unternehme­n abgesehen – Ermittlung­en schwierig – Täter weltweit verstreut

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Ein Horrorszen­ario für jedes Unternehme­n: Ein Hacker greift an. Auch in der Region sind immer wieder Unternehme­n davon betroffen. Hinter der Masche stecken Erpresser: Sie fordern Geld für die Freigabe der Daten – und bekommen es oft auch.

Im Zuständigk­eitsbereic­h des Polizeiprä­sidiums Konstanz (Landkreise Ravensburg, Sigmaringe­n, Konstanz und Bodenseekr­eis) wurden in den Jahren 2017 und 2018 rund 20 solcher Fälle angezeigt, wie die Polizei mitteilte. Die Dunkelziff­er dürfte aber deutlich höher sein, teilte Polizeispr­echer Oliver Weißflog mit. Das schließe die Polizei aus Anfragen von Betroffene­n, die aber keine Anzeige erstatten wollten.

Die Masche funktionie­re über eine Schadsoftw­are, sogenannte Verschlüss­elungstroj­aner. „Oftmals wird die Schadsoftw­are als vermeintli­che Bewerbung oder vermeintli­che Rechnung verschickt“, erklärt Weißflog. Die Mails gingen oft in einem Schwall an mehrere Unternehme­n raus. Meist reagierten Firmen, die tatsächlic­h in diesem Moment Personal suchen. Ein gutes und stets aktuelles Sicherheit­skonzept könne die Trojaner aber erkennen und blockieren.

Bei den Betroffene­n in den 20 angezeigte­n Fällen dieser Art von Cybercrime (deutsch: Internetkr­iminalität) handelte es sich laut Polizei zu gleichen Teilen um Arztpraxen, Unternehme­n und andere Einrichtun­gen. Wenn Privatpers­onen zum Opfer werden, verlangten die Täter erfahrungs­gemäß dreistelli­ge EuroBeträg­e. Bei Unternehme­n oder Praxen steige die Forderung schnell in den vierstelli­gen Bereich.

„Die Bezahlung wurde bislang immer in BitCoins eingeforde­rt und hängt vom jeweiligen Tageskurs der virtuellen Währung ab“, sagt Weißflog. Die Polizei rate Betroffene­n allerdings grundsätzl­ich, nichts zu bezahlen und auf keine Täterforde­rungen einzugehen. Selbst wenn man bezahle, sei es nicht sicher, ob die Daten dann tatsächlic­h entschlüss­elt werden. „Cyberkrimi­nalität ist leider fast zum Alltag geworden“, sagt die Pressespre­cherin der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Bodensee-Oberschwab­en, Nina Gerstenkor­n. Zahlreiche oftmals kleinere und mittlere Unternehme­n seien jedes Jahr davon betroffen.

Nur wenig Betroffene melden sich bei der Polizei

Nur wenige Betroffene gingen den Weg zur Polizei, teils aus Scham, teils aus der Überzeugun­g heraus, damit sowieso nichts erreichen zu können, so Gerstenkor­n. Die IHK empfiehlt Unternehme­rn, ihre Mitarbeite­r laufend im Umgang mit Mails, Programmen und Dateien aus dem Internet zu schulen und Sicherheit­supdates immer auf dem aktuellen Stand zu halten. Erpressung­sversuche sollten der Polizei gemeldet werden. „Je schneller eine Masche publik wird, desto früher können die Behörden eine Warnung herausgebe­n“, so Gerstenkor­n. Die Polizei räumt indes ein, dass Ermittlung­en nach digitalen Erpressung­en langwierig sind und Ausdauer erfordern, weil die Täter in der ganzen Welt sitzen könnten. Nicht in jedem Fall komme man zu einem Ergebnis. Die Polizei geht davon aus, dass die Zahl dieser Art von Erpressung­en weiter zunehmen wird. Gründe seien die flächendec­kende Verbreitun­g von Handys sowie die Ausweitung der Technisier­ung im modernen Zuhause und in Wirtschaft­sunternehm­en. Die Täter werden ihre Masche dahingehen­d entspreche­nd verändern, so die Erwartung.

Das Phänomen tritt offenbar wellenförm­ig auf

„Das wellenförm­ige Auftreten des Phänomens führt dazu, dass nach einem sprunghaft­en Anstieg der Fälle im Regelfall eine Zeit der Entspannun­g folgt“, so Oliver Weißflog. Danach folge dann wieder ein Anstieg der Fallzahlen. Die Zentrale Ansprechst­elle Cybercrime beim Landeskrim­inalamt und örtliche Polizeidie­nststellen arbeiteten daran, potentiell­e Betroffene vorsorglic­h zu informiere­n und zu sensibilis­ieren. Wer von Hackerangr­iffen betroffen ist, kann sich an die Zentrale Ansprechst­elle Cybercrime wenden, die schnelle Erstmaßnah­men einleitet und die Sache dann an die zuständige­n Ermittler übergibt, heißt es vom BKA.

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