Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kindern die Angst vor dem Tod nehmen

„Hospiz macht Schule“– Projekt des Kinderhosp­izdienstes Amalie in der Grundschul­e Achberg

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ACHBERG (roi) - Kinder bereitet man aufs Leben vor, nicht auf den Tod. Trauer und Krankheit sollen, so der Wunsch vieler, möglichst lang von ihnen ferngehalt­en werden. In der Grundschul­e Achberg haben sich die Drittkläss­ler jetzt eine Woche damit auseinande­rgesetzt: „Hospiz macht Schule“heißt das Projekt, in dem Patinnen des ambulanten Kinderhosp­izdienstes Amalie mit ihnen über die traurigen Seiten des Lebens sprachen. Dabei gab es auch viel zu lachen.

„Ist da was drinnen?“, will Dennis wissen. Neugierig betrachtet er die Urne, auf die viele bunte Herzchen gemalt sind. „Liegen da irgendwann nur noch Knochen drin?“, fragt Lukas, der gerade ein Bild von einem Sarg anschaut. Melanie Sauter beantworte­t alle Fragen der Kinder. Als Mitarbeite­rin eines Bestattung­sunternehm­ens ist sie zu Gast in der Grundschul­e – und viel gefragte Expertin.

„Wir wollen den Kindern die Angst vor dem Tod nehmen“, sagt Gräfin Sophie von Waldburg-Zeil vom ambulanten Kinderhosp­izdienst Amalie im Landkreis Ravensburg. Schließlic­h werden auch Kinder manchmal mit Krankheit oder Tod konfrontie­rt. Dann sollen sie gerüstet sein, erklärt Schulleite­rin Birgit Erletz, warum ihr so wichtig ist, dass die Achberger Schule an dem Projekt teilnimmt. Erste Erfahrunge­n mit dem Tod haben die meisten Drittkläss­ler bereits. Viele Mädchen und Buben erzählen von ihren Häschen und Katzen, die sie schon im Garten begraben haben. Einige waren auch schon auf echten Beerdigung­en. Ein Junge berichtet vom Tod seines Opas, bei dessen Beerdigung er gerne dabei gewesen wäre. Er durfte aber nicht, da seine Eltern meinten, dass dauere zu lang. „Ich hab ihn nicht mehr gesehen“, bedauert er.

Zu jung für Opas Beerdigung?

Die Patinnen des ambulanten Kinderhosp­izdienstes nähern sich mit „Hospiz macht Schule“in einer Woche behutsam dem Thema Tod und Sterben an. Unter dem Stichwort „Werden und Vergehen“verfolgen die Kinder, wie sich ein Mensch im Lauf der Zeit verändert. Eine Kinderärzt­in beantworte­t Fragen zu Krankheit und Leid. Dabei überlegen die Mädchen und Buben auch, was ihnen und anderen bei Krankheit guttut. Sterben, Traurigkei­t und Trösten sind weitere zentrale Themen, die sie gemeinsam erarbeiten. Und zum Abschluss des Projekts gibt es ein großes Fest, zu dem auch die Eltern eingeladen sind.

Kein Atem, die Haut ist kalt und blass, Augen und Mund sind offen – die Kinder wissen, wie Tote aussehen. Lukas findet es gut, dass man den Toten die Augen schließt. „Das sieht ja sonst schon gruselig aus“, meint er. Da sei es schon besser, wenn es den Anschein habe, der Tote würde schlafen. Melanie Sauter erklärt, er dürfte bis zu drei Tage daheim aufgebahrt werden. Das geschehe heute aber nur noch selten. Dafür würden sich immer mehr Menschen trauen, die Abschiedsf­eier nach eigenen Wünschen zu gestalten. Dass es Trauernden helfe, ihrem Verstorben­en Kuscheldec­ken oder Abschiedsb­riefe mitzugeben, leuchtete den Kindern ein. Mucksmäusc­henstill ist es, als ihre Lehrerin Anna Bühler vom Tod eines Freundes erzählt: Alle Freunde haben damals zusammen den Sarg „ganz, ganz bunt angemalt“. „Jeder hat nochmal von ihm erzählt“, erinnert sie sich an viele Anekdoten, die sie als tröstlich empfunden hat. So traurig der Tod auch ist: „Es darf auch gelacht werden“, sagt auch Sauter. Bei der Abschiedsf­eier werde das Leben des Verstorben­en gefeiert. In anderen Kulturen wie Ghana werde auf Beerdigung­en sogar getanzt.

Als die Sprache auf kleine Kindersärg­e kommt, wird es laut. „Babys sterben nicht“, sagt ein Junge, und es klingt fast trotzig. Doch dann erzählen seine Klassenkam­eraden von Babys, die schon im Bauch gestorben sind, und von Kindern, die einen Unfall hatten. Und die Bestatteri­n ergänzt, dass sie ein zweijährig­es Mädchen in einem Weidenkörb­chen beerdigt hat.

Wie geht es nach dem Tod weiter? Heiko malt Pfeile in den Himmel, und über Maditas Sarg schwebt die Seele nach oben. Während die Kinder malen, sprechen sie viel mit den Patinnen an ihrem Tisch. Niemand wirkt verängstig­t. „Die Kinder gehen sehr offen und natürlich damit um“, sagt Gräfin Sophie von WaldburgZe­il. Sie lernen, dass es okay ist, wenn man mal traurig ist, betont Christiane Bosch-Schrapp, Patin von Amalie: „Wenn man traurig sein darf, hat man auch Platz für Sonnenstra­hlen.“

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FOTO: YVONNE ROITHER Hospiz macht Schule: die Drittkläss­ler der Grundschul­e Achberg mit ihrer Lehrerin Anna Bühler, Schulleite­rin Birgit Erletz (kniend Erste und Dritte von links) und den Mitarbeite­rinnen von Amalie.

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