Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Revolution im Vollgaszirkus
Wie die Formel 1 sich einen grünen Anstrich verpassen möchte
BERLIN (dpa) - Der Machtkampf um die Zukunft der Formel 1 biegt in die entscheidenden Runden ein. Am Dienstag treffen sich in London die Schwergewichte des Renngeschäfts, beschlossen werden soll kaum weniger als eine Revolution für das schnelle Gewerbe. Auch weil sich die Formel 1 mehr denn je für die teure Raserei rechtfertigen muss, ringen Regelwächter, Vermarkter und Teams um die Grundlagen für einen Fortbestand des PS-Spektakels.
Jean Todt, der Präsident des Weltverbands FIA, kündigte bereits reichlich Bewegung an: „Die BudgetObergrenze kommt, ein neues Fahrzeugreglement kommt, ein neues Motorreglement kommt, wir werden eine andere Geldverteilung haben.“
Gelten soll der neue Rahmen für die Königsklasse des Motorsports von 2021 an. Das Ziel ist es, die Kosten für den Rennbetrieb drastisch zu reduzieren, Wettbewerb und Action auf der Strecke zu erhöhen und durch modernere Technologie auch dem Umweltsünder-Vorwurf zu begegnen. Eine deutliche Kurskorrektur scheint dringend nötig.
Immerhin fast die Hälfte der Deutschen hält die Formel 1 für nicht mehr zeitgemäß. Für 47 Prozent der Bundesbürger hat die Rennserie als Sport ausgedient, wie das Meinungsforschungsinstitut YouGov jüngst in einer Umfrage ermittelte. Für lediglich 36 Prozent passt der PS-Zirkus noch in die heutige Zeit. Ein bedenkliches Zeugnis so kurz vor dem 1000. Grand Prix der Geschichte, den die Formel 1 Mitte April in Shanghai inszeniert.
Günstiger, spannender, einfacher soll die Rennserie werden – das ist die Vision der Formel-1-Macher.
Dafür wollen sie ein Etatlimit durchsetzen, das vor allem die großen Teams zu Einschnitten zwingen und einbremsen würde. Weniger aerodynamische Spielereien sollen möglich sein, die Überholchancen auf diese Weise erhöht werden. Doch ob gerade die Branchenriesen da zustimmen?
Die Debatte dürfte heikel bleiben. Nur noch bis Ende 2020 sind die Rennställe durch den Grundlagenvertrag an die Formel 1 gebunden. Red Bull hat zuletzt immer wieder mit einem Ausstieg gedroht, wenn das neue Abkommen nicht den Vorstellungen des Getränkekonzerns entspricht.
150 Liter Benzin pro Rennen
Als saubere Alternative präsentiert sich die vollelektrische Rennserie Formel E. Die Autobauer BMW und Audi sind schon mit einem Werksteam dabei, Porsche und auch Mercedes folgen zur nächsten Saison. Die stromgetriebenen Boliden rasen durch Metropolen wie Hongkong, New York, Rom und Paris – immer auf die grüne Tour. So mancher in der Formel 1 verweist jedoch darauf, dass die Erzeugung des Stroms in Kraftwerken keineswegs so sauber sei.
Mit einem Verbrauch von rund 150 Litern Benzin pro Rennen ist aber auch die Öko-Bilanz eines Formel-1Boliden eher fragwürdig. Zu kurz gedacht, kontert Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Die hohe Effizienz der Motoren und die hoch entwickelten Systeme zur Energierückgewinnung in den Autos seien auch wegweisend für die Serienproduktion, betont der Österreicher. Die Emissionen großer Containerschiffe, der weltweite Flugverkehr, das Plastik in den Meeren – all das sei viel schlimmer für die Umwelt als die Formel 1.
Daheim kann Wolff diese Argumentation auf den Prüfstand stellen. Wie der 47-Jährige zuletzt verriet, schwänzten seine beiden Kinder aus erster Ehe zuletzt die Schule – und beteiligten sich an den weltweiten Protesten vieler Schüler für mehr Klimaschutz.