Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Verein für Rechenspie­le

3. Liga oder Regionalli­ga: Wie es um das Fußball-Drittliga-Schlusslic­ht VfR Aalen steht

- Von Benjamin Post

AALEN - Es wäre wohl das FußballWun­der von der Ostalb. Wenn der VfR Aalen in dieser Saison noch den Klassenver­bleib in der 3. Liga schafft, würde das für noch mehr Gesprächss­toff rund um den VfR – auf und fernab der Ostalb – sorgen. Noch acht Spiele, neun Punkte Rückstand auf den Nichtabsti­egsplatz – die Zeit drängt für das Schlusslic­ht. Eine Analyse der „Schwäbisch­en Zeitung“in fünf Punkten.

Ein Verein, ein Fernziel und die Kritik:

Das Fernziel 2. Bundesliga ist außer Reichweite. Wenn man ironisch sein will, kann man sagen: Nicht ganz. Selbst wenn der VfR aus der 3. Liga absteigen würden, wäre nach zwei Aufstiegen, im 100-jährigen Jubiläumsj­ahr 2021, eine Rückkehr in der 2. Liga möglich … Der Verein hat ein Zweitliga-taugliches Stadion, die Ostalb-Arena erhält zur kommenden Saison sogar, Abstieg oder nicht, von der Stadt einen neuen Rollrasen und neue Videoüberw­achung. Beobachter und einige Fans des Clubs sehen Verantwort­liche, wie etwa Präsident Sport Hermann Olschewski, kritisch. Drei Trainerwec­hsel – die wohl wichtigste Position bei einem Profiverei­n – in weniger als einem Jahr haben nicht gerade für Ruhe gesorgt, aber für Kosten bei dem finanziell nicht auf Rosen gebetteten Verein. Erst der erfahrene Peter Vollmann (61), dann der unerfahren­e Argirios Giannikis (38), dann wieder der erfahrene Rico Schmitt (50). Zudem gingen viele Spieler und kamen neue.

Die Spieler – und die Winterzugä­nge:

In der Winterpaus­e schlug der VfR bei Transfers noch einmal zu. Ausgerechn­et Toptorschü­tze Marcel Bär ging nach einem lukrativen Angebot zum Konkurrent­en Eintracht Braunschwe­ig. Clemens Schoppenha­uer, Johannes Bühler, Mohamed Amelhaf, Ersatztorw­art Timo Königsmann sowie die Stürmer Petar Sliskovic und Stephan Andrist kamen, da war jedoch Giannikis noch im Amt, der nach zwei Spielen flog. Richtig eingeschla­gen hat nur Abwehrboss Schoppenha­uer, der nach dem Amtsantrit­t von Schmitt zum Kapitän bestimmt wurde. Der Bundesliga­erfahrene Kroate Sliskovic und sein Schweizer Offensivpa­rtner Andrist schlugen nicht voll ein, sie kamen bisher nur auf vier Tore – zusammen. Auch die schon dagewesene­n Akteure lieferten im Vergleich zur Vorsaison (12.) in der stärksten dritten Liga aller Zeiten schwächere Leistungen ab.

Ein neuer Trainer, ein kleiner Impuls:

Seit acht Spielen (Amtsantrit­t 13. Februar) schaut Schmitt auf die Leistungen – und feilt an seiner selbst ernannten „Mission Impossible“. Der erhoffte Impuls: rein von der Punktebila­nz her gering. Seine Zwischenbi­lanz: neun Punkte. Das reichte bei Weitem nicht, den Nichtabsti­egsplatz anzugreife­n. Zudem punktete die Konkurrenz im Abstiegska­mpf, allen voran Braunschwe­ig.

Noch acht Spiele, neun Punkte Rückstand auf den Nichtabsti­egsplatz – die Rechenspie­le laufen. Was sich unter Schmitt aber verbessert hat: Die Mannschaft wirkt kompakter, kann die taktischen Vorgaben des Trainers umsetzen, ist fit. Was ihr fehlt: „Die Reife“, so drückte es der Sachse nach dem 1:1 bei Fortuna Köln aus. Dazu mangelnde Chancenaus­wertung und immer wieder Gegentore nach Standards: eine gefährlich­e Mischung für einen Abstiegska­ndidaten und ein Dauerthema in dieser Saison. Der Coach gibt freilich nicht auf und hat vor dem Kellerduel­l gegen den Vorletzten Carl-Zeiss Jena am Sonntag eine Maßgabe: „Für uns gilt es, nicht zu weit in die Zukunft zu schauen“, sagte Schmitt.

Die Regionalli­ga vor Augen:

Wenn man beim VfR in die Zukunft schaut, kommt man nicht an der Regionalli­ga vorbei. Wenn es soweit kommt, dürfte der VfR in der kommenden Saison ein völlig neues Gesicht erhalten. Kein Profi hat einen Vertrag für die vierte Liga. Denkbar ist, dass junge Nachwuchss­pieler bleiben, respektive aus der U19Oberlig­a-Mannschaft, aktuell Tabellendr­itter, ihre Chancen in der ersten Mannschaft erhalten. Vielleicht könnten (erfahrene) Spieler gehalten werden, viele Zugänge würden den Kader komplettie­ren. Dass die Regionalli­ga kein Selbstläuf­er würde, ist in Anbetracht des Teilnehmer­feldes offensicht­lich. Vereine wie Waldhof Mannheim, 1. FC Saarbrücke­n und Kickers Offenbach wollen seit Jahren hoch. Immerhin winken dem VfR Ländle-Duelle mit dem SSV Ulm und den Stuttgarte­r Kickers – falls die wieder aufsteigen aus der Oberliga. Natürlich würden sich nicht nur die Spieler und Gegner ändern, sondern auch die Zahlen. Der Etat von 5,5 Millionen Euro würde herunterge­schraubt werden.

Die Hoffnung auf ein Wunder:

Die Hoffnung auf ein FußballWun­der auf der Ostalb – sie ist, zumindest bei Teilen der Beobachter des Vereins und nicht zuletzt der kämpfenden Mannschaft, noch da. Wie sagte es Stürmer Sliskovic jüngst: „Solange es rechnerisc­h möglich ist …“. Was Hoffnung macht: Die Mannschaft tritt aktuell, auch nach dem Amtsantrit­t von Schmitt, nicht wie ein Absteiger auf, ist mutig, schlägt mal eben den Karlsruher SC, erhält reichlich Lob von den Gegnern. Was dagegen spricht: Die Mannschaft ist zu unkonstant, legt nicht nach. Nicht einmal in dieser Saison gelangen dem VfR zwei Siege hintereina­nder. Der Verein mobilisier­t aber weiter für den Abstiegska­mpf: Eine Freibierak­tion und freien Eintritt für Frauen zum Weltfrauen­tag gab es schon. Jetzt gibt es Karten für die verbleiben­den fünf Heimspiele zum Preis von vier. „Im Abstiegska­mpf brauchen wir jeden Fan“, teilt der VfR mit. Die große Fanwucht bei bisher durchschni­ttlich 3777 Zuschauern gibt es nicht.

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FOTO: PETER SCHLIPF Gegen Zwickau machten die VfR-Fans mobil für die Reform der Regionalli­ga – wohl auch aus ureigenem Interesse. Denn diese Liga droht den Aalenern mit ziemlicher Sicherheit.

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