Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Verein für Rechenspiele
3. Liga oder Regionalliga: Wie es um das Fußball-Drittliga-Schlusslicht VfR Aalen steht
AALEN - Es wäre wohl das FußballWunder von der Ostalb. Wenn der VfR Aalen in dieser Saison noch den Klassenverbleib in der 3. Liga schafft, würde das für noch mehr Gesprächsstoff rund um den VfR – auf und fernab der Ostalb – sorgen. Noch acht Spiele, neun Punkte Rückstand auf den Nichtabstiegsplatz – die Zeit drängt für das Schlusslicht. Eine Analyse der „Schwäbischen Zeitung“in fünf Punkten.
Ein Verein, ein Fernziel und die Kritik:
Das Fernziel 2. Bundesliga ist außer Reichweite. Wenn man ironisch sein will, kann man sagen: Nicht ganz. Selbst wenn der VfR aus der 3. Liga absteigen würden, wäre nach zwei Aufstiegen, im 100-jährigen Jubiläumsjahr 2021, eine Rückkehr in der 2. Liga möglich … Der Verein hat ein Zweitliga-taugliches Stadion, die Ostalb-Arena erhält zur kommenden Saison sogar, Abstieg oder nicht, von der Stadt einen neuen Rollrasen und neue Videoüberwachung. Beobachter und einige Fans des Clubs sehen Verantwortliche, wie etwa Präsident Sport Hermann Olschewski, kritisch. Drei Trainerwechsel – die wohl wichtigste Position bei einem Profiverein – in weniger als einem Jahr haben nicht gerade für Ruhe gesorgt, aber für Kosten bei dem finanziell nicht auf Rosen gebetteten Verein. Erst der erfahrene Peter Vollmann (61), dann der unerfahrene Argirios Giannikis (38), dann wieder der erfahrene Rico Schmitt (50). Zudem gingen viele Spieler und kamen neue.
Die Spieler – und die Winterzugänge:
In der Winterpause schlug der VfR bei Transfers noch einmal zu. Ausgerechnet Toptorschütze Marcel Bär ging nach einem lukrativen Angebot zum Konkurrenten Eintracht Braunschweig. Clemens Schoppenhauer, Johannes Bühler, Mohamed Amelhaf, Ersatztorwart Timo Königsmann sowie die Stürmer Petar Sliskovic und Stephan Andrist kamen, da war jedoch Giannikis noch im Amt, der nach zwei Spielen flog. Richtig eingeschlagen hat nur Abwehrboss Schoppenhauer, der nach dem Amtsantritt von Schmitt zum Kapitän bestimmt wurde. Der Bundesligaerfahrene Kroate Sliskovic und sein Schweizer Offensivpartner Andrist schlugen nicht voll ein, sie kamen bisher nur auf vier Tore – zusammen. Auch die schon dagewesenen Akteure lieferten im Vergleich zur Vorsaison (12.) in der stärksten dritten Liga aller Zeiten schwächere Leistungen ab.
Ein neuer Trainer, ein kleiner Impuls:
Seit acht Spielen (Amtsantritt 13. Februar) schaut Schmitt auf die Leistungen – und feilt an seiner selbst ernannten „Mission Impossible“. Der erhoffte Impuls: rein von der Punktebilanz her gering. Seine Zwischenbilanz: neun Punkte. Das reichte bei Weitem nicht, den Nichtabstiegsplatz anzugreifen. Zudem punktete die Konkurrenz im Abstiegskampf, allen voran Braunschweig.
Noch acht Spiele, neun Punkte Rückstand auf den Nichtabstiegsplatz – die Rechenspiele laufen. Was sich unter Schmitt aber verbessert hat: Die Mannschaft wirkt kompakter, kann die taktischen Vorgaben des Trainers umsetzen, ist fit. Was ihr fehlt: „Die Reife“, so drückte es der Sachse nach dem 1:1 bei Fortuna Köln aus. Dazu mangelnde Chancenauswertung und immer wieder Gegentore nach Standards: eine gefährliche Mischung für einen Abstiegskandidaten und ein Dauerthema in dieser Saison. Der Coach gibt freilich nicht auf und hat vor dem Kellerduell gegen den Vorletzten Carl-Zeiss Jena am Sonntag eine Maßgabe: „Für uns gilt es, nicht zu weit in die Zukunft zu schauen“, sagte Schmitt.
Die Regionalliga vor Augen:
Wenn man beim VfR in die Zukunft schaut, kommt man nicht an der Regionalliga vorbei. Wenn es soweit kommt, dürfte der VfR in der kommenden Saison ein völlig neues Gesicht erhalten. Kein Profi hat einen Vertrag für die vierte Liga. Denkbar ist, dass junge Nachwuchsspieler bleiben, respektive aus der U19Oberliga-Mannschaft, aktuell Tabellendritter, ihre Chancen in der ersten Mannschaft erhalten. Vielleicht könnten (erfahrene) Spieler gehalten werden, viele Zugänge würden den Kader komplettieren. Dass die Regionalliga kein Selbstläufer würde, ist in Anbetracht des Teilnehmerfeldes offensichtlich. Vereine wie Waldhof Mannheim, 1. FC Saarbrücken und Kickers Offenbach wollen seit Jahren hoch. Immerhin winken dem VfR Ländle-Duelle mit dem SSV Ulm und den Stuttgarter Kickers – falls die wieder aufsteigen aus der Oberliga. Natürlich würden sich nicht nur die Spieler und Gegner ändern, sondern auch die Zahlen. Der Etat von 5,5 Millionen Euro würde heruntergeschraubt werden.
Die Hoffnung auf ein Wunder:
Die Hoffnung auf ein FußballWunder auf der Ostalb – sie ist, zumindest bei Teilen der Beobachter des Vereins und nicht zuletzt der kämpfenden Mannschaft, noch da. Wie sagte es Stürmer Sliskovic jüngst: „Solange es rechnerisch möglich ist …“. Was Hoffnung macht: Die Mannschaft tritt aktuell, auch nach dem Amtsantritt von Schmitt, nicht wie ein Absteiger auf, ist mutig, schlägt mal eben den Karlsruher SC, erhält reichlich Lob von den Gegnern. Was dagegen spricht: Die Mannschaft ist zu unkonstant, legt nicht nach. Nicht einmal in dieser Saison gelangen dem VfR zwei Siege hintereinander. Der Verein mobilisiert aber weiter für den Abstiegskampf: Eine Freibieraktion und freien Eintritt für Frauen zum Weltfrauentag gab es schon. Jetzt gibt es Karten für die verbleibenden fünf Heimspiele zum Preis von vier. „Im Abstiegskampf brauchen wir jeden Fan“, teilt der VfR mit. Die große Fanwucht bei bisher durchschnittlich 3777 Zuschauern gibt es nicht.